Beginenfeuer
keine Unterstützung seines Fürsten benötigt.«
Mathieu versagte sich einen Kommentar zu dieser Beschwerde. Der wichtige Getreideimport aus den nördlichen Ländern, der fast ganz in den Händen der Hansekaufleute lag, machte Brügge von der Hanse abhängig. Sobald die eigene Ernte schlecht ausfiel, war man auf diese Lieferungen angewiesen und damit auch erpressbar. Das missfiel in Brügge, wenngleich man es nicht ändern konnte.
Cornelis erboste, dass die Hansekaufleute ihren Umzug von Aardenburg nach Brügge von der Erlaubnis abhängig gemacht hatten, künftig direkt mit anderen ausländischen Kaufleuten Handel treiben zu dürfen. Zuvor hatten sie dafür die Vermittlungsdienste eines flämischen Maklers in Anspruch nehmen müssen, der dafür einen erheblichen Anteil des Gewinns eingestrichen hatte.
»Ihr seht, die Probleme unserer Stadt sind vielfältiger, als es sich nach außen darstellt. Dennoch will ich Euch nicht den Appetit verderben…«
Der Handelsherr deutete auf Katelin, die ein schwer beladenes Holzbrett auftrug. Jan folgte ihr mit einem eisernen Becken voller Glutstücke und machte sich daran, ein Feuer zu entfachen. Die Magd deckte währenddessen den Tisch. Die verlockenden Düfte von gebratener Gans mit roten Rüben, Hühnerfleisch in Mandelmilch und Pfefferaal stiegen Mathieu als Erstes in die Nase. Zudem zählte er drei verschiedene Brotarten, entdeckte mit Honig glasierten Schinken, gebackene Wachteln und Schüsseln mit gesottenem Herbstgemüse. Ein wahres Festmahl. Kein Wunder, dass das Wams des Handelsherrn so bedenklich spannte.
»Lasst es Euch schmecken«, sagte Piet Cornelis und machte sich nicht die Mühe, zuvor ein Tischgebet zu sprechen. Das war Mareikes Aufgabe gewesen, und es würde künftig die ihrer Nachfolgerin sein. Was seine Gedanken schon wieder auf die Begine Ysée lenkte, die es nicht für nötig hielt, seinen Brief zu beantworten.
Trieb das Mädchen ein Spiel mit ihm? Nun, die Jungfer würde lernen müssen, dass künftig er die Regeln solcher Spiele festlegte. Wenn er sie erst einmal im Haus hatte, würde sich alles von selbst ergeben. Da sie beim Weibervolk der Beginen aufgewachsen war, mochte es ihr am Verständnis für die männliche Überlegenheit fehlen, aber er zweifelte nicht daran, dass es ihm gelingen würde, ihr dies zu vermitteln.
Mathieu griff herzhaft zu und erwies den Köstlichkeiten des Mahles alle Ehre. Die Köchin beherrschte die seltene Kunst, Gewürze wie Safran und Narde so einzusetzen, dass sie den Eigengeschmack der Speisen nicht völlig übertünchten, wie es allzu oft der Fall war, wenn ein Gastgeber seinen Reichtum ohne Rücksicht auf den Gaumen seiner Gäste zeigen wollte. Cornelis hingegen stocherte im Essen herum, und Mathieu gewann den Eindruck, dass ihm nicht allein die Ungerechtigkeiten des Herzogs von Flandern im Magen lagen. »Werdet Ihr dem König von unseren Beschränkungen in Brügge berichten?«, fragte der Kaufmann, als könne er Andrieus Gedanken lesen. »Ich muss Euch gestehen, dass es mir ein echtes Anliegen ist, eine Stimme von Einfluss bei Hofe zu besitzen.«
»Um was für Euch zu sagen?«
Cornelis nahm einen großen Schluck des edlen roten Bordeauxweins aus einem kunstvoll ziselierten Silberbecher. Dann suchte er den Blick seines Gastes. »Da wäre zum Beispiel das einseitige Steuerprivileg, welches ausschließlich die Beginen genießen. Wenn der König sich bereit fände, ein solches Privileg auch der Gilde der Tuchhändler zu gewähren…« Mathieu verschluckte sich vor Verblüffung über so viel Naivität. »Damit rechnet nicht, Herr Cornelis! Seine Majestät wird sich nie und nimmer die eigenen Einnahmen schmälern. Eher streicht er den Beginen ihre Vorrechte.«
»Das wäre zumindest ein Sieg der Gerechtigkeit.« Cornelis schüttete reichlich Safransoße über den gepfefferten Aal. »Man muss einen Weg finden, diesen Frauen den Handel zu erschweren, wenn nicht gar ganz zu verbieten. Meint Ihr, Seine Majestät fände sich dazu bereit?«
»Ich weiß nichts über die Absichten unseres Königs. Ich bin lediglich einer seiner Ritter, der die Befehle der Krone ausführt.«
»Und die wären?« Die schnelle Frage bewies, dass hinter der leutseligen Fassade Entschlossenheit und ein messerscharfer Verstand steckten.
»Augen und Ohren des Königs in Brügge zu sein.« Die Antwort erfolgte ebenso unverzüglich und rief Schweigen hervor. Mathieu beendete seine Mahlzeit in dieser Stille und schob sein Essmesser in die Hülle an
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