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Beginenfeuer

Beginenfeuer

Titel: Beginenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Christen
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scharfes Auge auf alle Nachtschwärmer. Wer sich um diese Zeit noch herumtrieb, war meist in zwielichtigen Geschäften unterwegs. Möglicherweise gehörte er auch zu jener Art von Unruhestiftern, die Zum Alten Anker aufbegehrten und ihre Verdrossenheit im Bier ertränkten, oder er war ein Einzelgänger und Außenseiter wie der Ritter des Königs von Frankreich.
    Mathieu bekämpfte schon wieder das lästige Getier in seiner Kleidung und wunderte sich über seine ungewohnt melancholischen Gedanken.
    Das wütende Knurren eines Hundes, der in seiner Nähe die Abfälle durchsuchte und von einem anderen Köter dabei gestört wurde, riss ihn aus seinen Überlegungen. Es war an der Zeit, in den Anker zurückzukehren, damit seine lange Abwesenheit keinen Verdacht erregte. Und er musste entscheiden, ob er seine Beobachtungen für sich behalten wollte oder ob er sie dem Herzog von Flandern berichten sollte. Ein letzter Blick zum Pfarrhaus bewies ihm, dass auch der Priester seine stille Wache aufgegeben hatte. Einen Moment beneidete er den Gottesmann. Vielleicht hatte sein jüngerer Bruder doch die bessere Entscheidung getroffen, als er der Welt den Rücken kehrte.
     
     
     
    B RUDER S IMON
    Brügge, Pfarrhaus an der Beginenbrücke,
    18. November 1309
     
    War das ein Boot, dessen Schatten er auf dem Kanal gesehen hatte, oder narrte ihn die Spiegelung des Wassers, wenn die Mondstrahlen darauf trafen? Simon verengte die Augen und suchte mehr zu erkennen, aber die nächste Wolke verwandelte die Reie erneut in einen Fluss aus schwarzer Tinte. »Setzt Euch, mein Freund, Ihr werdet noch Löcher in den Kanal starren und unseren wichtigsten Hafen trocken legen. Wie sollten wir dieses Unheil den Stadtvätern von Brügge erklären?« Pater Felix lächelte über seinen Scherz, aber Simons Gesicht verlor nichts von seiner Anspannung, als er sich umwandte. Er konnte sich nicht setzen. Seine innere Unruhe trieb ihn ein jedes Mal wieder auf die Beine.
    »Was belastet Eure Seele?« Der Pater war Menschenkenner genug, seinem Gast anzusehen, dass er mit schweren Problemen rang. »Redet. Manchmal hilft es, die Sorgen beim Namen zu nennen, damit sie ihren Schrecken verlieren. Ihr seid schon den ganzen Abend völlig konfus. Hat es mit Eurer abendlichen Verspätung zu tun?«
    Die Tatsache, dass Pater Felix den Nagel auf den Kopf traf, machte Simon die Sache nicht leichter. Er hatte die Pförtnerin bitten müssen, das Tor noch einmal für ihn zu öffnen, denn als er nach dem Streit mit Ysée dort ankam, fand er es bereits verschlossen.
    »Es ist nichts. Es geht mir gut.«
    Er scheute das angebotene Gespräch, denn er war es nicht mehr gewohnt, sich einem anderen Menschen anzuvertrauen. Die Zeiten, in denen er jeglichen Kummer einem großen Bruder berichten konnte, gehörten der Vergangenheit an. In seinem Leben gab es keinen Mathieu mehr, der ihn ermunterte, beschützte, auslachte oder tröstete. Nur mit Hilfe seines Bruders hatte er die düsteren Tage seiner Kindheit überstanden. Ihr Vater hatte feste Vorstellungen von der Zukunft seiner Söhne gehabt. Männer aus Eisen sollten sie werden. Ritter, auf die der Pfalzgraf nicht verzichten konnte. Edelmänner, deren Heldentaten das ganze Land mit Bewunderung erfüllte. Dafür hatte er sie von Kindesbeinen an gnadenlos erzogen und gedrillt. Sein Bruder war der Einzige gewesen, der durchschaut hatte, wie sehr Simon die endlosen Schwertübungen hasste, wie es ihm widerstrebte, Waffengewalt anzuwenden. Wäre nicht das Leben dieses Bruders in höchster Gefahr gewesen, er hätte auch nie jenen verhängnisvollen Schwertstreich geführt, der Violante von Courtenay den Vater genommen hatte. »Wenn Ihr Euren Zustand mit gut bezeichnet, so möge mich der Himmel davor bewahren, dass es mir je gut geht«, drang Pater Felix’ Stimme in seine düsteren Erinnerungen. »Setzt Euch und trinkt einen Becher vom dem Roten hier. Er stammt aus dem Keller der Magistra, sie hat mir das Fässchen geschenkt. Methildis van Ennen ist eine Frau, die auch etwas vom Wein versteht.«
    »Was wisst Ihr von ihrem Leiden?«
    »Es gibt keine Hoffnung für sie.« Pater Felix wirkte aufrichtig betrübt. »Unser Herr gewährt ihr keinen leichten Abschied. Sie atmet, doch ihre Kraft lässt zusehends nach. Weder die heilkundigen Schwestern in der Infirmerie noch der Medicus aus der Stadt wissen Rat. Wir können kaum mehr tun als für sie beten.«
    »Wird Schwester Alaina ihren Platz einnehmen?« Simon hatte sich inzwischen mit den

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