Begraben
haben Sie die Kinder behandelt?«
Arom wich erneut aus.
»Was ist mit Ihnen los? Warum wollen Sie das so dringend wissen?«
Plötzlich war Cyrille es leid, um den heißen Brei herumzureden. Sie erwiderte:
»Vor zehn Jahren habe ich Drogen genommen, ich weiß noch nicht, welche. Das hat zu einer lakunären Amnesie geführt.«
Der Professor nahm drei Züge aus seiner Haschischpfeife und fuhr sich mit der blauen Zunge über die Lippen.
»So was kommt vor … Ihre Aufrichtigkeit gereicht Ihnen zur Ehre. Gut. Machen Sie es sich bequem, das ist eine lange Geschichte, möchten Sie Tee?«
Er erhob sich mühsam. Mit schleppendem Schritt ging er zu einer Tür am Ende des Raums, legte die Hand auf die Klinke und zögerte. Cyrille kam ihm zu Hilfe und sagte leise:
»Tee … Sie wollten Tee holen.«
Er öffnete den Zugang zur Küche und palaverte mit der alten Thailänderin, die eine Antwort brummelte.
*
Kurz darauf setzte Sanouk Arom zu dem merkwürdigsten Bericht an, den Cyrille Blake je gehört hatte.
Der alte Mann nahm auf dem roten Kanapee Platz und begann, das Mundstück der Shisha zwischen den Lippen, mit klarer Stimme zu erzählen.
»Als die VGCD vor dreizehn Monaten das erste amnestische Kind am Strand eines kleinen Dorfs im Süden von Surat Thani gefunden und mir anvertraut hat, glaubte ich, es handele sich, wie leider so oft, um einen Fall von Missbrauch oder Drogenkonsum. Als dann das zweite kam, war ich überrascht, beim dritten war ich wirklich beunruhigt. Ich habe alle Möglichkeiten in Betracht gezogen, auch ein neues Virus, das den Hypocampus oder Zerebralkortex befällt. Doch die Analysen haben nichts ergeben, und das Blutbild war jedes Mal normal. Ich habe bei den drei Kindern verschiedene Behandlungsmethoden ausprobiert. Die einzige, die zu einem Ergebnis geführt hat, war die transkranielle Magnetstimulation.«
»Ich habe es auch mit einer TMS probiert«, unterbrach Cyrille ihn, »allerdings erfolglos.«
»So war es bei mir anfänglich auch, aber dann habe ich mich vorgetastet und nach dem Zufallsprinzip den Zerebralkortex, der, wie Sie wissen, mit großer Wahrscheinlichkeit das Erinnerungsvermögen beherbergt, stimuliert. Der Zustand hat sich nicht wirklich verbessert. Bis ich eines Tages auf die Idee kam, das Gehirn der Kinder mit hoher Frequenz zu stimulieren und ihnen gleichzeitig Bilder zu zeigen.«
»Bilder?«
Cyrille runzelte die Stirn.
»Alle Arten von Bildern, die im Zusammenhang mit ihrem Alltag standen. Höfe, Städte, Tiere, Hühnerställe, eine Schule, Autos, Bauern … Ich habe alles versucht. Und dann, während einer Sitzung, hat das Kind, das man als erstes gefunden hat, unzusammenhängende Teile seiner Vergangenheit erzählt.«
»Sind Sie sicher, dass es sich nicht um eine Erinnerungsverfälschung handelt?«
»Hundertprozent sicher kann ich natürlich nicht sein. Aber was die drei Kinder berichtet haben, war stimmig. Wissen Sie, das ist das Herzstück meiner Arbeit. Schon vor einigen Jahren habe ich nachgewiesen, dass Erinnerungen nie ausgelöscht werden, dass nur die Zugänge geschwächt sind. Man braucht lediglich den richtigen Zugang zu aktivieren, und schon sprudeln sie hervor.«
Cyrille dachte eine Weile nach und frage dann:
»Und was haben sie erzählt?«
»Sie haben ein Lager beschrieben … im Dschungel, am Strand.«
Cyrille Blake lauschte gebannt, ohne sich zu rühren.
Sanouk Arom sah sie unverwandt an, dann lächelte er plötzlich.
»Wir kennen uns, nicht wahr? Wir sind uns schon vor langer Zeit begegnet. Sie wurden damals von Ihrem Mann begleitet.«
Nur mühsam brachte Cyrille hervor:
»Professor, ich bin Doktor Blake, ich bin wegen der amnestischen Kinder hier …«
Eine Weile herrschte Schweigen. Sanouk Arom schien in Gedanken versunken. Und ebenso plötzlich, wie er sich zurückgezogen hatte, setzte er seinen Bericht fort.
»Auf der Insel Ko Samui, in der Nähe der Stadt Surat Thani, kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Gangs der Unterwelt, die von Schmuggel jeglicher Art leben. Als ich die Aussagen der Kinder hörte, sagte ich mir, dass eine dieser Banden eine Droge gefunden haben muss, welche die Kinder, die sie später verkaufen, willig und gehorsam macht, gleichzeitig aber einen Teil ihres Gedächtnisses auslöscht.«
Die alte Thailänderin schlurfte herein und brachte ein Tablett mit dampfendem Tee. Anouk unterbrach seinen Monolog, bis sie beide eine Tasse in der Hand hielten.
»Jetzt will ich Ihnen
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