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Begraben

Begraben

Titel: Begraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Sender
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Jungen und vier Mädchen von höchstens zwölf Jahren in Shorts und khakifarbenen T-Shirts. Schweigend liefen sie im Gänsemarsch, der Größte vornweg, den Strand entlang. Julien war ihnen nachgeschlichen. Schließlich waren sie im Wald verschwunden, um gleich darauf wieder am Ufer aufzutauchen. Sie erreichten das Ende einer Bucht, wo sich eine Art Dorf, bestehend aus fünf halb verfallenen Holzhütten befand. Dort hatte sich Julien ihnen im Schutz der Farne und der üppigen Vegetation genähert und sie lange beobachtet.
    Jetzt befand er sich auf dem Rückweg und spürte, dass ihn eine neue Krise der Verzweiflung überkam. Seine Handgelenke juckten. Er hatte sich entschlossen, auf der Suche nach einem Boot die Insel zu umrunden, um dann Cyrille zu holen. Er hockte sich eine Weile hin, und seine Hand tastete nach einem spitzen Stein. Tu es nicht . Doch seine Hand wollte nicht hören und drückte die scharfe Spitze des Steins auf seinen Arm.
    *
    »Ich bin Doktor Cyrille Blake und leite eine neurochirurgische Klinik in Paris, das Centre Dulac«, erklärte Cyrille mit fester Stimme.
    Sie musste die Oberhand gewinnen und zeigen, dass sie keine Angst hatte.
    Das Gesicht des Forschers war ausdruckslos.
    »Ich weiß, wer Sie sind, und ich kenne vor allem Ihren Mann. Sie arbeiten mit Meseratrol. Dieses Molekül hätte ich auch gerne entdeckt. Aber darum geht es jetzt nicht. Was hatten Sie in dem Heim von Surat Thani zu suchen?«, fragte Supachai und schnippte mit der Schere.
    Cyrille wich aus.
    »Sagen Sie mir lieber, warum es verwüstet wurde!«
    Sie spürte erneut eine gewisse Energie in sich aufsteigen.
    »Mein Cousin wollte nur eine kleine Lektion erteilen: In Dinge, die einen nichts angehen, soll man sich nicht einmischen. Ich frage Sie noch einmal, was Sie dort zu suchen hatten.«
    »Die VGCD von Bangkok hat mich beauftragt, ein kleines Mädchen, das man in Surat Tahin gefunden hat, abzuholen, um es zu untersuchen. Das ist alles. Sie müssen mich freilassen – und den jungen Mann auch. Und zwar sofort. Wir haben nichts mit der ganzen Sache zu tun.«
    »Und wie haben Sie uns hier gefunden?«, fragte Supachai, ohne auf Cyrilles Forderung einzugehen.
    »Durch die GPS-Koordinaten auf dem Handy, das die Kleine bei sich hatte.«
    »Wo ist es?«
    »Das weiß ich nicht.«
    Supachai ließ sie nicht aus den Augen. Cyrille sah, wie er die Zähne zusammenbiss. Woher sollte sie wissen, was Arom gestanden hatte?
    »Und das ist alles, was Ihnen bekannt ist?«, beharrte er.
    »Ja.«
    Rama schwieg nachdenklich, dann fuhr er fort:
    »Was glauben Sie, warum jemand die Koordinaten geschickt hat?«
    »Ich nehme mal an, damit man Sie findet.«
    Cyrille bemerkte, dass sie arrogant wirkte, und sie versuchte, sich zu beherrschen.
    »Warum?«
    Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen.
    »Um die Kinder zu retten …«
    »Was wissen Sie wirklich über die Kinder, die hier leben?«
    »Nichts.«
    »Warum glauben Sie dann, dass sie Hilfe brauchen?«
    Cyrille biss sich auf die Lippe.
    »Den Kindern, die man gefunden hat, ging es nicht besonders gut.«
    Rama Supachai schien erneut zu überlegen.
    »Ja! Das kann bei meinen Experimenten schon mal vorkommen … All diese Kinder tragen freiwillig dazu bei, meine Forschung voranzubringen. Aber anders, als Sie annehmen, geht es ihnen danach meistens besser als vorher. Sie kommen alle aus den Elendsvierteln unseres Landes und haben mehr durchgemacht, als wir je ertragen könnten. Ich versuche, ihr Leid zu lindern und ihnen Sorglosigkeit zu schenken, damit sie weiterleben und glücklich werden können.«
    Cyrille Blake kochte vor Wut. Rama Supachai begriff sich als Retter!
    »Was machen Sie mit ihnen?«
    »Darüber würde ich mich sehr gerne ausführlicher mit Ihnen unterhalten, denn im Gegensatz zu meiner Umgebung sind Sie in der Lage, mich zu verstehen. Aber ich habe noch viel Arbeit. Wenn ich mein Ziel erreicht habe, wird die ganze Welt von mir sprechen«, verkündete Rama völlig ungerührt.
    »Warum nehmen Sie Ihre Versuche an Kindern vor?«, fragte Cyrille, die bemüht war, das Gespräch auf eine fachliche Ebene zu bringen. Sie wollte Zeit gewinnen.
    »Weil ich im Begriff bin, eine international einmalige Methode zu entwickeln. Ich will eine Erfolgsquote von mindestens sechzig Prozent haben, ehe ich eine offizielle klinische Studie anmelde. Auf diese Weise kann ich den Prozess beschleunigen. In Thailand gehen viele Forscher so vor. Im Moment werden jedoch nur vier von zehn Kindern durch meine

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