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Begraben

Begraben

Titel: Begraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Sender
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Sonde auf meinem Schädel über der Zone, die zu stimulieren ist. Sie muss auf dem virtuellen Bild zu sehen sein.«
    »Ja.«
    »Gut. Dadurch kannst du die Stimulation in Echtzeit zielgenau ausführen.«
    »Ist das schmerzhaft für dich?«
    »Nein. Ich werde nur eine leichte Erwärmung spüren. Du wirst damit die Neuronen wieder aktivieren, die ausgeschaltet wurden. Das ist so, als würdest du Verbindungsstraßen wieder öffnen, die gesperrt waren, oder vielleicht auch neue anlegen. Ich hoffe es zumindest.«
    Cyrille überwachte alles, was Julien tat. Sie kannte die Handgriffe, da sie diese bereits selbst ausgeführt hatte. Julien legte Cyrille das erste Foto vor. Er warf ihr einen letzten Blick zu.
    »Ich fühle mich nicht gut, Cyrille.«
    »Das klappt schon. Ich muss jetzt still sein, sonst werden falsche Zonen aktiviert. Ich lasse dich allein agieren.«
    Cyrille starrte auf das Foto mit der Meseratrol-Packung. Sie war ängstlich und verwirrt. Sie sagte sich, sie sei im Begriff, eine große Dummheit zu begehen. Dann hörte sie auf nachzudenken. Julien hatte den Knopf gedrückt.

51
     
    Die Stille in Zimmer 21 wird durch regelmäßige Pieptöne unterbrochen. Vorsichtig öffne ich die Tür. Ich habe Angst, Julien zu wecken. Meine Bedenken sind unnötig. Er liegt im Koma. Seit der dritten Injektion Meseratrol gestern Vormittag habe ich ihn nicht mehr gesehen. Ich betrete den Raum. Der Rollladen ist zur Hälfte heruntergelassen. Das Tageslicht fällt auf sein Bett. Ein Flashback. Er liegt mit nacktem Oberkörper da, seine Augen sind geschlossen. Ein Schlauch führt aus einem Beatmungsgerät in seinen Mund, an beiden Armen sind Infusionen angebracht. Ich trete näher. Ein weiterer Flashback. Aus einer Harnsonde füllt sich ein Beutel, der unter der grünen Decke hervorschaut. Ich stehe vor ihm und betrachte die Katastrophe. Gestern ging es ihm noch gut. Er war gesprächiger als sonst. Ich werfe einen Blick auf seine Werte. Stabil. In der Nacht hatte er ein Hirnödem. Die Chancen, dass er ohne Folgeschäden davonkommt, sind gering. Die Angst nimmt mir den Atem. Ich fühle mich schuldig, schäme mich. Anfangs war ich gegen diesen heimlichen Versuch, das hatte ich Benoît auch gesagt. Und dann änderte ich meine Meinung – für Julien. Ich habe ihn für diese klinische Studie vorgeschlagen und mich bei der Teambesprechung im kleinen Kreis für seine Teilnahme eingesetzt. Ich hielt ihn für perfekt geeignet, wollte seine Phantome vertreiben. Ich habe ihm das Protokoll erklärt und dessen Vorteile betont. Ich habe ihm das angetan. Manien hatte behauptet, es würde ein Erfolg. Wie erstarrt stehe ich da. Ich strecke eine Hand zu ihm aus, berühre seine Wange. Ich möchte nicht weinen. Nur Opfer weinen. Flashback. Ich bin zum Henker geworden.
    Cyrille öffnete plötzlich die Augen und nahm ihren Körper wieder wahr. Die Leuchtdioden blendeten sie. Um sie herum weißer Kunststoff und blaues Licht. Wo war sie? Sie wollte den Kopf drehen, aber es war unmöglich, ihr Schädel wurde in einem Schraubstock zusammengedrückt.
    »Wie geht es dir?«, fragte eine Stimme, die ihr extrem laut erschien.
    Cyrille schloss die Augen halb. Wo war sie?
    »Es ist meine Schuld.«
    »Was ist los, Cyrille?«
    Es war Julien. Seine Stimme klang unsicher.
    »Mach weiter … bitte mach weiter«, antwortete sie schwach.
    Die Halterung drehte sich quietschend, und vor ihr erschien das Foto von Julien. Cyrille verdrehte die Augen. Ein Flashback.
    Es ist das erste Mal, dass Julien lächelt. Er sitzt mir gegenüber in einem Sessel. Es ist unsere fünfte Therapiesitzung. Er macht Fortschritte. Nur über den Tod seiner Mutter will er nicht sprechen. Dieses Lächeln habe ich ihm entlockt, indem ich ihm erzählte, wie verschlossen und ungesellig ich als kleines Mädchen sein konnte. Er glaubt mir kein Wort. Er schaut mich an, und ich spüre plötzlich, dass sich unsere Beziehung verändert. Ich habe seinen Geruch wahrgenommen, und mir ist bewusst geworden, wie angenehm dieser mir ist. In der Nacht habe ich wieder daran gedacht und geweint. Zum Glück ist Benoît nicht aufgewacht. Wie hätte ich es ihm erklären sollen? Ich weiß, das geht zu weit und über meine Funktion hinaus. Ich weiß, dass ich einen anderen Therapeuten bitten müsste, den Patienten zu übernehmen, aber Julien will nur mit mir arbeiten, und ich möchte ihn nicht abgeben. Ich spreche bei unseren Sitzungen nur wenig. Es ist wie in der Musik, beim Tango. Man muss die Pausen zur rechten Zeit

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