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Begraben

Begraben

Titel: Begraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Sender
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mit zwei Schlössern, nahm seinen Helm ab und ging die wenigen Stufen hinunter, die zur Kinder- und Jugendpsychiatrie führten – im grünen Sektor der dritte Pavillon rechts.
    Nino fühlte sich auch für Cyrille verantwortlich. Es wurde Zeit, dass er den Tatsachen ins Auge sah. Ihre Freundin hatte sich verändert. Sie war selbstbewusst und bedurfte ihrer beider Hilfe nicht mehr. Sie war reich, hatte eine beneidenswerte Position inne und einen einflussreichen Ehemann. Was konnten ein Krankenpfleger und ein Informatiker ihr schon nützen? Tony war der Ansicht, dass sich gewisse Gräben nicht überwinden ließen. Auf Guadeloupe zum Beispiel lebten die Einwohner nach Hautfarbe getrennt. So war es eben. Jeder schön an seinem Platz. Andernfalls würden die Beziehungen durcheinandergeraten.
    Er stieß die Tür zum Pavillon auf. Er würde behilflich sein, so gut er konnte. Danach würde man weitersehen. Das Einzige, wovon er träumte, war ihr Urlaub in der Dominikanischen Republik im November. Sonne, Meer … Alles andere war egal.
    Am Empfang wandte er sich an eine junge Frau, die er nicht kannte. Er zeigte seine Gewerbekarte. »Ich bin vom EDV-Service, man hat mich wegen der Wartung der Geräte angerufen.« Alles Übrige würde die mangelhafte Organisation der Abteilung erledigen. Die junge Frau bat ihn, sich einen Augenblick zu gedulden, rief verschiedene Stellen an, ohne dass man ihr weiterhelfen konnte, versuchte es in einer anderen Abteilung, ebenfalls erfolglos, und geriet dann an einen Gesprächspartner, der sie auf die Necker-Mediathek verwies. Sie legte mit einem Seufzer auf. Tony tat, als schaue er ungeduldig auf seine Uhr. Schließlich sagte die junge Frau: »Also gut, gehen Sie einfach. Wissen Sie, wohin Sie müssen?« Tony lächelte.
    Es war kurz nach sechzehn Uhr, und die jungen Patienten nahmen im Speisesaal ihren Nachmittagsimbiss ein. Der Computerraum war praktisch verwaist. Dort standen unter den Fenstern zum Hof fünf Tische nebeneinander, jeder mit einem PC ausgestattet. Ein Jugendlicher in einem unförmigen Jogginganzug spielte an einem Computer Poker. Tony schaltete die vier anderen PCs ein und suchte bei jedem nach dem ursprünglichen Benutzernamen. Er konnte gerade noch einen Triumphschrei unterdrücken, als »Dr.   Manien« auftauchte.
    Der Informatiker setzte sich vor den Bildschirm und ging auf Suche. In das vorgesehene Feld tippte er »4GR14« ein. Nichts. Genauso wenig wie für »Daumas« oder »Versuch« oder »Clara Marais«. In den vorhandenen Ordnern gab es keine entsprechenden Dateien. Tony wartete. Die Wiederherstellung einer gelöschten Datei war für ihn ein Kinderspiel, aber in diesem Fall war das bereits vor fünf Jahren geschehen. Er hätte wetten können, dass die seither gespeicherten Dokumente an die Stelle möglicher versteckter Dateien getreten waren.
    Nichtsdestotrotz legte Tony eine CD ein, installierte das Programm »Inspector File Recovery« auf der Festplatte und startete es. Er klickte links auf die Registrierkarte »Gelöschte Dateien suchen« und ging in dem Fenster, das sich daraufhin öffnete, mit einem Doppelklick auf Laufwerk C. Der Suchbaum mit den alphabetisch geordneten Files tauchte im linken Feld auf. Er änderte die Anordnung in chronologischer Reihenfolge. Scheiße! Die Liste reichte nur bis zum Jahr 2001 zurück.
    Tony schloss alle Fenster und klickte im Befehlsmenü auf »Verlorene Dateien suchen«, ging mit Doppelklick auf das Laufwerk C, dann auf »V«, Verification, und gab schließlich den Befehl zur Festplattenüberprüfung ein, was mindestens zehn Minuten in Anspruch nehmen würde.
    Der Informatiker warf einen Blick zu dem Burschen, der völlig in sein virtuelles Kartenspiel vertieft war. Sollte ein Arzt oder jemand vom Pflegepersonal ihn fragen, was er hier zu tun hatte, würde er sich irgendeine Geschichte aus den Fingern saugen müssen. Der Balken füllte sich langsam, dreißig Prozent der Datenmenge waren überprüft worden. Tony erhob sich kurz und begann, bei den anderen drei PCs ein Antivirenprogramm zu installieren, um sich zu beschäftigen und vorgeben zu können, etwas Sinnvolles zu tun.
    Inzwischen waren sechzig Prozent der Festplatte des früheren PCs von Manien gescannt, dann hundert Prozent. Im rechten Feld erschien eine Liste der verlorenen Dateien. Alle Namen begannen mit »cluster«. Tony riss die Augen auf und überflog die Zeilen. Er ordnete sie erneut chronologisch. Wieder nichts aus der Zeit vor 2001. Der Informatiker

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