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Begrabene Hunde schlafen nicht

Begrabene Hunde schlafen nicht

Titel: Begrabene Hunde schlafen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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ausgeschnitten, aber sie kam mit der Kraft
einer Autofähre daher, und die schwedische Versuchung hatte
sie dort draußen auf dem Meer hinter sich gelassen. Jetzt ging es
um Geschäftliches.
Sie gab mir die Hand mit charaktervollem Druck, schnitt mit
ihren scharfen, blauen Augen ein Guckloch in meine Seele und
sagte: »Ich muß in einer knappen Stunde im Sveaväg sein. Wir
gehn auf einen Kaffee und eine Bulle hier rein. Okay?«
Sie bahnte sich den Weg in eine Cafébar, die mit Glas, Chrom
und Hartgummi eingerichtet war, bestellte an der Theke und
zeigte auf einen freien Zweiertisch ganz hinten in einer Ecke.
»Den nehmen wir!«
Ich hängte meine Jacke an etwas Rotes, das an einen stilisierten Kaktus erinnerte, und hatte kaum am Tisch Platz genommen,
als sie losfeuerte.
»Veum? Ove Haugland, der mir in den letzten Jahren in Oslo
ab und zu einen Gefallen getan hat, hat dich empfohlen. Das
reicht mir. Ich kann dir sagen, was ich weiß über die Fälle, die
er genannt hat, und es bleibt unter uns, hier am Tisch. Du
bekommst es mündlich. Wenn du was notieren willst, dann tu
das, aber ich dichte nicht, ich rede.«
Der Kaffee kam in schmalen, hohen Keramikbechern auf den
Tisch. Die Bullar waren mit Marmelade gefüllt, in Schmalz gebacken und mit Zucker überstreut. In gewisser Weise waren sie
übertrieben für das Interieur. Sie gehörten eher in ein Rokokoambiente.
In aller Eile holte ich mein Notizbuch und meinen Kugelschreiber heraus. Ich verbrannte mir die Lippen an dem Kaffee,
als sie loslegte. Als ich das nächstemal Gelegenheit bekam,
daran zu nippen, war er lauwarm. Die Bullar nahmen wir mit,
als wir gingen.
»Fredrik Loewe. Er kommt aus einer ehrwürdigen, alten
Familie, die seit zweihundertfünfzig Jahren in der Waffenindustrie ist, aber der moderne Betrieb, der auf der
Waffentechnologie unseres Jahrhunderts aufbaut, wurde von
seinem Großvater gegründet, 1910. Später wurde er vererbt, von
Vater zu Sohn.«
»Wurde es ein bedeutendes Unternehmen?«
»Sehr schnell. In der Zwischenkriegszeit arbeiteten sie mit
Krupp zusammen, und sogar während des Zweiten Weltkrieges
arbeitete das Werk sehr aktiv. Hauptsächlich für die eigene
Verteidigung.«
»Hauptsächlich?«
»Es gab nie einen Zweifel daran, wo der Vater, Wilhelm, politisch stand. Wilhelm Loewe gehörte zu der Phalanx in Schweden, die den norwegischen König und den Kronprinzen ins Internierungslager gebracht hätte, wenn sie im April 1940 in ihre
Nähe gekommen wären, ja, manche meinten sogar, man hätte
sie zurück nach Oslo schicken sollen, unter polizeilicher Bewachung.«
»Oh?«
»Ja. Wußtest du das nicht? Seine Deutschenfreundlichkeit
führte nach dem Krieg auch zu Spekulationen, unter anderem
darüber, wie effektiv er und sein Betrieb eigentlich die schwedische Neutralität verteidigt hätten und warum sein privates Bankkonto in Zürich auch in jenen Jahren so auffällig dicker wurde.«
»Hatte man Einblick?«
»Eine akribische journalistische Arbeit führte zu gewissen,
sagen wir mal, Enthüllungen, ja, und zwar 1951 bis 52. Und es
war öffentlich bekannt, daß er Betriebe in Deutschland und
Belgien besaß, sowohl vor als auch nach dem Krieg. Und wo
blieben die Gewinne daraus? Jedenfalls nicht zu Hause in
Schweden!«
»Aber diese Enthüllungen, hatten die Konsequenzen für ihn?«
»Nein. Der Geldadel hatte immer noch die Macht, auch nach
dem Krieg. Aber da war unser Fredrik Loewe erst elf, zwölf
Jahre alt. Als er in die Leitung von Lejon Vapen eintrat, Ende
der sechziger Jahre, war eine neue Ära der Kriegsschauplätze
angebrochen. In Vietnam, im Mittleren Osten, in Afrika, und
wer Waffen produzierte, machte das große Geld. Der alte
Wilhelm war weitsichtig gewesen, und sie lagen noch immer
weit vorn, was technologische Neuerungen anging. Fredrik
konnte ernten, was der Vater gesät hatte. Der Löwenkopf von
Lejon Vapen war in diesen Jahren in die Kanonen vieler
Streitwagen auf der ganzen Welt eingegossen. Während Olof
Palme bei Demonstrationen mitmarschierte und gegen die
amerikanische Kriegsführung in Vietnam protestierte, kam der
Metallkörper einer großen Anzahl von Napalmbomben aus
schwedischen Betrieben. Nicht alle waren hierzulande produziert, wohlgemerkt, Loewe hatte den Konzern erweitert und
sowohl in den USA als auch in der Türkei und in Spanien
produziert. Aber das Kapital – das war schwedisch.«
»Und ein bißchen norwegisch, wie ich gehört habe.«
»Ja, das stimmt. Ein Teil des

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