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Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur

Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur

Titel: Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emrah Serbes
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Musiker und Animierdamen von ihrer Feierabendsuppe. Nur Gökhan kam nicht heraus. Er hatte das Licht nicht angeschaltet und bewegte sich mit Hilfe einer Taschenlampe durch die Wohnung. Behzat Ç saß seit rund zehn Stunden mit eingeschlafenen Gliedern und steifen Muskeln im Wagen. Ohne die Wohnung aus den Augen zu lassen, machte er mit Kopf und Schultern gymnastische Bewegungen und massierte seine Beine mit leichten Faustschlägen. Die ersten Schritte würden ihm schwerfallen, wenn er jetzt loslaufen müßte. Falls Gökhan überhaupt die Wohnung verlassen sollte.
    Eine weitere Stunde verging. Gemächlich kroch ein Räumungsfahrzeug der Stadtverwaltung durch die Straße. Ein Arbeiter mit rotgefrorenem Gesicht verteilte mit einer Schaufel Streusalz. Eine weitere Stunde verging. Beamte verließen ihre Wohnungen und eilten zur Arbeit; Gestalten mit gesenkten Köpfen, die ihre Gesichter mit ihren Schals vor der Kälte schützten, huschten zu den Haltestellen. Wer aus den Küstenstädten nach Ankara versetzt worden war, rutschte trotz des Streusalzes aus, stürzte zu Boden und verriet seine Herkunft. Eine weitere Stunde verging.
Endlich

    Mit einer Migrostüte in der Hand verließ Gökhan das Haus. Er trug jetzt einen Bart, der wohl kaum innerhalb von drei Stunden gewachsen war… An der Haustür klopfte er seine Schuhe auf dem Fußabtreter ab. Er trug hochwertige Glanzlederschuhe, die man auch aus dreißig Meter Entfernung nicht übersehen konnte, und darüber einen Allerweltsmantel. Damit würde er nicht allzu leicht zu erkennen sein. Er mußte sich bemühen, ihn erst gar nicht aus den Augen zu verlieren. Als Gökhan an der Straßenecke war, zog sich Behzat Ç die Schirmmütze über, die das Phantom ihm dagelassen hatte, und verließ den Wagen. Der Morgenfrost zeigte sich sofort in seiner ganzen Bissigkeit. Er ging so leise wie möglich. Sobald sein Ziel um die Ecke gebogen war, legte er einen Zahn zu, damit der Abstand nicht zu groß wurde. Er wechselte auf die andere Straßenseite und setzte die Verfolgung fort, ohne sich den Schaufenstern zu sehr zu nähern. An Ausfahrten ging er vorsichtig vorbei.
    Sie kamen auf den Platz der Nation, das Herz von Ulus. Das Ziel blieb eine Weile vor dem Denkmal stehen und schaute sich Mustafa Kemal an, den man auf ein imposantes Pferd gesetzt hatte. Unter ihm, auf der Rückseite des Sockels, war eine Frau zu sehen, die Granaten zur Front trug, vor ihr zwei Fußsoldaten. Der erste trug in der einen Hand ein Mausergewehr, die andere hielt er zum Spähen über die Augenbrauen. Er suchte die Umgebung nach Feinden ab. Der zweite hatte eine Hand in die Luft gestreckt, als wollte er dem erstbesten, der ihm blöd kam, eine langen. Sie standen stocksteif da und erweckten im Betrachter eine Mischung aus Bewunderung und Furcht. Schneidige Kerle. Als das Ziel seine Augen vom Denkmal abwandte und sich entschied, am Zebrastreifen die Straßenseite zu wechseln, suchte sich Behzat Ç eine aufgetakelte junge Frau als Deckung. Die Frau rutschte auf dem glatten Boden, fiel aber nicht hin. Das Ziel blieb vor dem alten Parlamentsgebäude stehen und begann, die Kanonen zu betrachten, deren Läufe auf die Passanten gerichtet waren. Wäre Behzat Ç ebenfalls stehengeblieben, wäre er aufgefallen. Er ging also weiter hinter seinem Schutzschild her. Es waren nur noch zehn Meter Entfernung zwischen den beiden.
Jetzt geh schon weiter! Was für ein ausgeprägtes Interesse für Zeitgeschichte der hat
. Während das Ziel die Gedenktafel mit der Aufschrift
›In diesem Gebäude wurde am 23. Oktober 1923 die Republik Türkei gegründet‹
las, kam Behzat Ç der Zufall zu Hilfe. Die Frau vor ihm rutschte diesmal aus, und bevor sie fiel, machte Behzat Ç einen Satz nach vorne und faßte sie an den Armen. Die aufgetakelte Frau war erfreut, bei diesem Scheißwetter auf einen athletischen Gentleman wie Behzat Ç zu stoßen, der sie in letzter Sekunde vor dem Sturz aufs Steißbein bewahrte. Aus ihren Augen sprach nicht nur der Schreck, sondern auch die traurige Klage:
Ich bin hier fremd
.
    »Machen Sie sich keine Gedanken, meine Dame«, sagte Behzat Ç. »Nur Gott stürzt nie.«
    »Danke schön.«
    »Gern geschehen.«
    Als das Ziel vor dem Parlamentsgebäude weiterging, waren sie alle drei auf gleicher Höhe. Es war eine wunderbare Gelegenheit, um unbemerkt zu bleiben.
    »Kommen Sie aus Izmir?«, fragte Behzat Ç die Frau.
    »Nein, aus Antalya.«
    »Dort duftet es jetzt sicher schon überall nach

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