Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur
eine Miniaturflagge der Türkischen Republik, ein in Goldbrokat gesetztes Namensschild, auf dem
Rektor Dingsbums
zu lesen stand. Sein eigener Schreibtisch nahm sich dagegen wie ein Kinderspielzeug aus. Nachdem ein Angestellter ihnen Tee serviert hatte, begann der Rektor mit salbungsvoller Stimme zu sprechen.
»Ich habe wenig Gutes über ihn zu sagen. Von den Eltern kam eine Vielzahl an Beschwerden.«
»Sie gestatten sicher«, sagte Behzat Ç und zündete sich eine 216 an, ohne eine Antwort abzuwarten. »Welchen Inhalts sind die Beschwerden?«
Der Rektor beugte sich vor, als wollte er ein Geheimnis preisgeben.
»Er soll den Schülern das Gehirn waschen«, sagte er. »Sie kennen das natürlich viel besser als ich, diese gebetsmühlenartigen Agitationssprüche. Vielleicht hat er sogar Propaganda für Separatismus gemacht. Ich denke, wenn jemand Geschichtslehrer sein will, sollte er erst einmal seine eigene Geschichte zur Kenntnis nehmen. Wir alle sind Kinder Atatürks, wir alle sind Laizisten. Wir alle sind, Gottseilobunddank, Muslime, wenn es darauf ankommt. Wir alle teilen eine gemeinsame Vision. Also, ich weiß nicht so recht. Nun ist er ohnehin strafversetzt worden und wir sind ihn erst einmal los. Nächste Woche wird er eine Stelle in Bayburt antreten. Dies war auch der Grund seiner Krankschreibung. Wie ich hörte, hat er seine Wohnung geräumt und seinen Hausrat bereits vorgeschickt. Er wird dort aber kaum Fuß fassen können. Ich habe ihm ein gebührendes Führungszeugnis ausgestellt, das sich sicher auch in seiner Personalakte niederschlagen wird.«
Der Rektor hatte seinen Tee noch nicht angerührt.
»Wenn Sie erlauben, bitte ich ihn nun herein«, sagte er und stand auf. »Keine Sorge, ich habe ein paar Angestellte angewiesen, einen eventuellen Fluchtversuch zu verhindern.«
Er verließ das Büro. Nach drei Minuten kehrte er in Begleitung von Resul dem Kommunisten zurück. Resul war klein, bewegte ständig seine Hände, hatte einen hüpfenden Gang und machte insgesamt einen hyperaktiven Eindruck. Sein spärliches Haar begann, grau zu werden, doch sein Gesicht ähnelte dem eines verzogenen Pennälers. Sein Schnurrbart war so lang, daß er fast hätte daran kauen können.
Vom Flur war Gemurmel zu hören. Der Rektor ging vor die Tür und wies die Schüler zurecht, die sich vor dem Büro versammelt hatten: »Auseinander! Begebt euch sofort in eure Klassenräume!« Die Schüler schenkten ihm kaum Beachtung. Er wurde cholerisch, packte zwei von ihnen am Kragen und bemühte sich, sie zu entfernen. Resul der Kommunist sagte: »Einen Moment bitte« und trat vor die Tür. »Okay Kinder, es ist alles in Ordnung. Geht jetzt in eure Klasse, ich komme gleich nach.«
Als sie wieder ins Büro kamen, murmelte der Rektor etwas von ungezogenem Verhalten.
Die vier Männer nahmen Platz. Sobald die erforderliche Stille eingekehrt war, begann Harun ohne Einleitung mit seinen Fragen.
»Ihre Adresse wurde in Betül Gülsoys Tasche gefunden. Wie kommt sie da hin?«
»Warum fragst du?«
»Kennst du das Mädchen?«
»Ja. Was ist mir ihr?«
»Sie ist tot.«
Behzat Ç wartete, bis der Mann sich wieder gefaßt hatte, und fragte: »Kennst du Gökhan Biryol?«
»Ja, ich habe ihn quasi aufgezogen.«
»Wo ist er jetzt?«
»Ich weiß es nicht.«
»Hältst du uns für blöd?«, sagte Harun.
»Für was denn sonst?«
Der Rektor schaltete sich ein: »Aber Resul Hoca, Resul Hoca, sprich doch bitte vernünftig.«
»Halt du dich da raus, Rektor.«
Der Rektor schwieg.
»Du hast eine polizeilich gesuchte Person in deiner Wohnung versteckt«, polterte Harun.
»Ich bin Kommunist, junger Mann. Ich tu so etwas gerne.«
Resul der Kommunist stand auf, wedelte mit seinen Armen und sagte: »Sonst noch Fragen?«
Alle sahen Behzat Ç an. Er schwieg eine Weile, um die verschiedenen Möglichkeiten abzuwägen.
»Nein«, antwortete er schließlich.
Resul der Kommunist tänzelte aus dem Rektorenzimmer.
»Herr Vorgesetzter, sollten wir ihn nicht lieber mitnehmen?«, fragte Harun. »Einen Haftbefehl kriegen wir schon ausgestellt, das dürfte doch kein Problem sein.«
Behzat Ç antwortete nicht. Der Rektor mußte wohl zu der Auffassung gelangt sein, daß er nun das Wort ergreifen sollte. Jedenfalls sagte er: »Tja, Herr Kommissar, ich bin tief betrübt. Ich möchte mich persönlich im Namen dieser mißratenen Person entschuldigen. Nun sind Ihnen natürlich aufgrund der EU-Harmonisierungsgesetze und dergleichen die Hände gebunden. Das hätte
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