Bei Anbruch der Nacht
sieht das Porzellanviech des lieben David zertrümmert auf dem Fußboden, die Polsterung des widerlichen roten Sofas überall verteilt …«
»Also ich habe nicht gesagt, dass ich …«
»Hör einfach zu! Sie sieht die ganzen Verwüstungen, und auf der Stelle, ob bewusst oder unbewusst, stellt sie die Verbindung mit dem Hundegeruch her. Und noch bevor du ein
Wort gesagt hast, kommt ihr die Szene mit Hendrix damals überdeutlich in den Sinn. Das ist perfekt!«
»Du spinnst, Charlie. Okay, was soll ich denn tun, damit eure Wohnung nach Hund stinkt?«
»Ich weiß sehr genau, wie man Hundegeruch erzeugt.« Seine Stimme war immer noch ein aufgeregtes Raunen. »Ich weiß genau, wie man das macht – Tony Barton und ich, wir haben das in der Zwölften gemacht. Er hatte ein Rezept, aber ich hab es verfeinert.«
»Warum denn?«
»Warum? Weil es mehr nach Kohl stank als nach Hund, darum.«
»Nein, ich meine, warum hast du … Ach, egal. Solange ich nicht rausmuss, um einen Chemiekasten zu kaufen, kannst du’s mir ja sagen.«
»Gut. Allmählich kommst du auf den Geschmack. Hol dir einen Stift, Ray. Schreib es auf. Ah, da kommt es ja endlich.« Anscheinend hatte er das Telefon eingesteckt, denn während der nächsten Sekunden hörte ich pränatale Geräusche. Dann war er wieder da und sagte:
»Ich muss jetzt los. Also schreib mit. Bist du bereit? Der mittlere Kochtopf. Er steht wahrscheinlich schon auf dem Herd. Tu ungefähr einen halben Liter Wasser hinein. Dazu zwei Fleischbrühwürfel, einen Teelöffel Kreuzkümmel, einen Esslöffel Paprika, zwei Esslöffel Essig, einen ordentlichen Schwung Lorbeerblätter. Hast du das? Jetzt tust du einen Lederschuh oder Stiefel hinein, kopfüber, die Sohle soll nicht eintauchen. Damit es auf keinen Fall nach verbranntem Gummi riecht. Dann drehst du das Gas auf, kochst das Zeug auf, lässt es leise vor sich hin köcheln. Den Geruch merkst du ziemlich bald. Er ist nicht furchtbar. Tony Bartons Originalrezept
enthält Nacktschnecken, aber meine Version ist viel subtiler. Es riecht einfach nach Hund. Jetzt wirst du mich fragen, wo du die Zutaten herkriegst, schon klar. Alle Kräuter und das sonstige Zeug ist in den Küchenschränken. Wenn du zum Schrank unter der Treppe gehst, findest du dort ein Paar ausrangierte Stiefel. Nicht die Gummistiefel. Ich meine die ausgetretenen – sehen eher aus wie Stiefeletten. Ich hatte sie ständig zu allen möglichen Gelegenheiten an. Jedenfalls sind sie am Ende und warten auf Entsorgung. Nimm einen von diesen. Was ist los? Hör zu, Ray, tu’s einfach, ja? Zu deiner eigenen Rettung. Denn ich sag’s dir, eine tobende Emily ist kein Witz. Ich muss jetzt gehen. Oh, und denk dran: Gib bloß nicht mit deinem wunderbaren Musikwissen an.«
Vielleicht lag es einfach daran, dass ich eine Reihe von klaren Anweisungen erhalten hatte, mochten sie noch so zweifelhaft sein: Als ich das Telefon aus der Hand legte, hatte mich eine gleichgültige, geschäftsmäßige Stimmung erfasst. Ich sah genau vor mir, was ich zu tun hatte. Ich ging in die Küche und schaltete das Licht ein. Natürlich stand der »mittlere Kochtopf« auf dem Herd und wartete auf seine nächste Aufgabe. Ich füllte ihn halb mit Wasser und stellte ihn auf die Kochstelle zurück. Noch während dieser Verrichtung kam mir in den Sinn, dass ich, bevor ich damit weitermachte, dringend etwas abklären musste: nämlich, wie viel Zeit ich hatte, um mein Werk zu vollenden. Ich ging ins Wohnzimmer, griff zum Telefon und rief in Emilys Büro an.
Ich hatte ihre Assistentin am Apparat, die mir sagte, Emily sei in einer Besprechung. In einem Tonfall, der Leutseligkeit mit Beharrlichkeit unterlegte, bestand ich darauf, dass sie Emily aus ihrer Sitzung holte, »sofern sie überhaupt in einer ist«. Im nächsten Moment hatte ich sie am Apparat.
»Was gibt es, Raymond? Was ist passiert?«
»Nichts ist passiert. Ich rufe nur an, um zu erfahren, wie’s dir geht.«
»Ray, du klingst komisch. Was ist los?«
»Inwiefern komisch? Ich wollte nur wissen, wann ich dich zurückerwarten kann. Ich weiß, für dich bin ich ein Faulpelz, trotzdem habe ich gern eine Art Zeitplan.«
»Deshalb musst du ja nicht gleich ungehalten werden. Warte – eine Stunde wird es wohl noch dauern … Vielleicht anderthalb. Es tut mir schrecklich leid, aber wir haben hier eine echte Krise …«
»Eine Stunde bis neunzig Minuten. Sehr gut. Mehr muss ich gar nicht wissen. Okay, wir sehen uns bald. Jetzt entlasse ich dich zurück zu
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