Bei Anbruch des Tages
unter.
»Du hast Guido schwer beeindruckt«, flüsterte sie ihr ver schwörerisch zu.
»Wirklich?«, fragte Léonie gespielt gleichgültig.
»Er redet gerade mit meinem Freund über dich.«
Wenige Monate später waren Guido und Léonie verheiratet.
Villanova
1
D ie Ultraschalluntersuchung ergab, dass Léonies viertes Kind ein Mädchen war.
»Ich möchte sie Daniela nennen«, sagte sie zu ihrem Mann.
Vor einiger Zeit war ihre Freundin an einer unheilbaren Krankheit gestorben. Indem sie ihre Tochter nach ihr benannte, konnte sie des Menschen gedenken, der ihr in schwierigen Zeiten beigestanden und ihrem Leben eine entscheidende Wendung gegeben hatte.
»Ich wollte sie eigentlich Giacinta nennen, weil dir Hyazinthen gefallen und es so sensible, duftende Blumen sind. Daniela könnte ihr Zweitname sein, was meinst du?«
Léonie hatte keine Lust zu diskutieren, auch weil sie in letzter Zeit ziemlich gereizt war. Sogar ihr Schwiegervater hatte das zu spüren bekommen, und er kannte den Grund dafür.
Sie hatten eine Meinungsverschiedenheit, was die Zukunft des Unternehmens betraf. Léonie wollte Cantoni-Armaturen zu einem modernen Vorzeigeunternehmen machen, und deshalb hatte sie einen berühmten Industrie-Designer engagiert, damit er eine in novative Armaturen-Serie entwarf. Dabei war ein Prototyp aus bräunlichem Stahl und kalkfestem Plexiglas herausgekommen, der sehr originell und hochfunktionell war. AuÃerdem war die Idee geboren worden, die sich leicht abnutzenden Duschschläu che durch durchsichtige Kanülen zu ersetzen. Sie hatten einige Sanitärfirmen damit experimentieren lassen, die den Prototyp begeistert aufgenommen hatten. Jetzt musste nur noch eine Händlerumfrage gemacht werden. Doch Dottor Panizza, der Vertriebsleiter, hatte gesagt: »Es bringt nichts, Geld für eine Umfrage auszugeben. Dieses Designerzeug ist höchstens ein Nischenmarkt, und ich bezweifle sehr, dass wir die Kosten wieder hereinholen werden.«
Léonie war immer offen für andere Meinungen und stellte die Erfahrung ihres Vertriebsleiters nicht infrage. Ihr Hauptansprech partner war jedoch der Schwiegervater, dem sie die Bedenken des Kollegen, eines älteren Mannes kurz vor der Pensionierung, vortrug.
»Glaubst du an diese neue Serie?«, wollte Cavalier Cantoni wissen.
»Absolut.«
»Warum?«
»Weil sie mir gefällt. Hätte ich ein neues, entsprechend eingerichtetes Haus, würde ich mir solche Armaturen aussuchen.«
»Panizza hat sich auch schon gesträubt, als wir die Einhebelarmaturen eingeführt haben. Würde es nach ihm gehen, würden wir nur Modelle im altenglischen Stil herstellen.«
»Und ich habe vor, diese Serie New Generation zu nennen. Trotzdem: Auch du scheinst nicht wirklich begeistert zu sein.«
»Du wolltest freie Hand haben, und ich habe sie dir gegeben«, sagte er wie ein GroÃvater, der seinem Enkel ein Glas Nutella gegönnt hat.
»Das heiÃt, wenn es schiefgeht, ist es allein meine Schuld. Aber wenn es gut geht, sind alle dafür verantwortlich«, konterte Léonie frech. Als eine Art Entschuldigung setzte sie nach: »Warum beziehst du keine eindeutige Position? Erst betonst du, wie altmodisch der Vertriebsleiter ist, und gleich darauf hebst du warnend die Hand, weil es ein Reinfall werden könnte. Die Firma gehört dir. Warum sagst du mir nicht, was du wirklich denkst?«
»Seit wann bist du so misstrauisch?«
»Seitdem du meinem Vorschlag neutral gegenüberstehst, den ich ohne eine Umfrage nicht weiterverfolgen werde!«
»Jetzt explodier doch nicht gleich, das ist keine gute Arbeitsgrundlage! Hast du mit meinem Sohn gestritten?«
»Nein, und jetzt fehlt nur noch, dass du mich hysterisch nennst!«
Sie tobte vor Wut, und als sie das Büro verlieÃ, musste sie sich beherrschen, nicht laut die Tür hinter sich zuzuknallen.
Wie oft hatte sie Verantwortung geschultert, ohne mit der Wimper zu zucken? Noch nie hatte sie mit ihrem Schwiegervater gestritten. Was war bloà mit ihr los? Anstatt in sein Büro zurückzukehren, verlieà sie die Firma, stieg ins Auto und fuhr nach Hause â gerade noch rechtzeitig, um einen Streit zwischen Giuseppe und Gioacchino zu schlichten, die um ein Spielzeug rauften, während die kleine Gioia in Tränen aufgelöst war, weil die beiden Brüder im Streit ihre Lieblingspuppe kaputt gemacht
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