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Bei Anbruch des Tages

Bei Anbruch des Tages

Titel: Bei Anbruch des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sveva Casati Modignani
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abstellte.
    Â»Nein. Ich muss nach Hause und lernen. Bis zur Prüfung im September habe ich noch viel zu tun.«
    Â»Ich möchte dir ein wenig Jazz vorspielen. Ich habe fantastische Schallplatten aus Amerika«, schlug sie vor, nahm seine Hand und zog ihn die Treppe hinauf.
    Â»Ich verstehe nichts von Musik. Ich kenne nur Verdis Gefangenenchor › Va pensiero‹ und die Faschistenhymne«, protestierte Amilcare.
    Sie duzten sich erst seit Kurzem, aber Amilcare hatte die Ange wohnheit beibehalten, sie vor dem Padrone mit »Signorina Bianca« anzusprechen. Auch wenn ihm die Crippas den Weg ebneten, sorgte er stets dafür, die Grenzen, die seine Herkunft ihm geboten, nicht zu überschreiten.
    Doch nun hatte Bianca ihn trotz seiner Proteste in den ersten Stock der Villa gezogen.
    Â»Hast du Angst?«, fragte sie.
    Â»Ja«, erwiderte er nur.
    Bei dieser unberechenbaren, »etwas gestörten libertinösen« Frau, wie es im Dorf hieß, wollte er sich keinen Fehltritt erlauben. Es war wichtig für ihn, dass ihr Vater ihn weiterhin förderte. Wäre sie nicht die Tochter seines Chefs gewesen, hätte er nicht lange gezögert, denn sie war jung und selbstbewusst. Aber von Bianca Crippa wollte er sich nicht verführen lassen.
    Die einzigen sexuellen Erfahrungen hatte er während seines Militärdiensts in Bordellen gehabt, mit Frauen, die seine körperlichen Bedürfnisse befriedigten. Die jungen Bauerntöchter des Dorfes flirteten mit ihm, aber er hatte weder Zeit noch Lust, sie weiter zu beachten.
    An der Universität gab es allerdings ein nettes Mädchen, das wie er Ingenieurswissenschaften studierte. Sie hieß Margherita und war eine zierliche, ehrgeizige Blondine, die als einzige Frau in dieser Männerdomäne von seinen Mitstudenten misstrauisch beäugt wurde. Sie war die Tochter eines berühmten Architekten, und manchmal frühstückten sie gemeinsam und sprachen über die bevorstehenden Prüfungen. Margherita gefiel ihm, aber stur und unsicher, wie er war, vermied er es, den ersten Schritt zu machen. Und dann war sie eines Tages nicht mehr da. Es wurde erzählt, sie sei mit der Familie nach Amerika ausgewandert. »Aber warum denn?«, hatte er gefragt. »Das sind Juden«, hatte ein Freund gesagt.
    Â»Na ja, auch ich habe ein bisschen Angst«, flüsterte Bianca in diesem Moment.
    Amilcare berührte ihre zarte, rosige Haut, sah die goldenen Sprenkel in ihren braunen Augen, die glänzenden Wimpern, die weichen Lippen und die strahlend weißen Zähne, die zwischen den halb geöffneten Lippen hervorblitzten. Er begehrte sie. Sie standen vor der angelehnten Tür eines Zimmers. Bianca legte sanft die Hände auf Amilcares Wangen und küsste ihn.
    Â»Ich habe mich in dich verliebt«, murmelte sie und schob ihn in ihr Zimmer, während sie sein Hemd aufknöpfte. Dann bedeckte sie seinen nackten Oberkörper mit kleinen Küssen. »Bitte sag jetzt nichts!«, bat sie und zog ihn auf das im Halbschatten stehende Bett.
    Amilcare, der jetzt nicht mehr widerstehen konnte, sank in Biancas Arme, doch als sie ihm sagte, dass sie noch Jungfrau sei, hielt er bestürzt inne.

6
    D achtest du etwa, ich bin eine Schlampe, die mit jedem ins Bett geht?«, schrie Bianca. Eilig sammelten sie die auf dem Boden verstreute Kleidung ein.
    Â»Ich habe gar nichts gedacht! Du hast die Initiative ergriffen«, warf ihr Amilcare vor. Nicht auszudenken, was alles hätte passieren können, wenn er seiner Lust gefolgt wäre anstatt der Vernunft. Hastig schlüpfte er in Hose und Hemd.
    Â»Ich weiß genau, was im Dorf über mich geredet wird«, rief Bianca aufgebracht. »Bianca Crippa fährt dauernd in die Stadt, keiner weiß, was sie dort tut. Sie raucht, fährt Auto, sieht den Männern in die Augen. Was für eine scheinheilige Bande! Ich dachte, du wärst anders, dabei bist du genau wie sie! Ich habe die Initiative ergriffen, weil ich mich in dich verliebt hatte. Aber du bist ein Idiot, und ich hasse dich!«, schrie sie, während sie sich anzog und dann zu der silbernen Bürste griff, die auf der Kommode lag. Amilcare stand mit dem Rücken zur Wand, direkt neben der Tür. Angesichts ihrer nicht ganz unberechtigten Vorwürfe war er wie gelähmt.
    Â»Verzeih mir«, stammelte er, nahezu unfähig, sich zu rühren.
    Â»Du hast mich beleidigt, mich erniedrigt. Glaubst du wirklich, ich könnte

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