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Bei Anbruch des Tages

Bei Anbruch des Tages

Titel: Bei Anbruch des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sveva Casati Modignani
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der Kleine schlief.
    Guido trat näher und bemerkte den leeren Blick seiner Frau.
    Â»Ich bin’s, dein Mann!«, scherzte er und beugte sich vor, um sie auf die Stirn zu küssen.
    Â»Ciao. Ich habe noch nicht mit dir gerechnet«, erwiderte Léonie.
    Guido betrachtete seinen Sohn im Wagen und lächelte. Ein Sonnenstrahl tauchte die Pausbacken des Kindes in rosafarbenes Licht.
    Â»Gestern Abend bin ich mit dem Drehbuch fertig geworden, und heute Morgen habe ich es den Programmverantwortlichen übergeben. Ich bin sofort losgefahren und habe jetzt bis zum Beginn des nächsten Jahres frei«, verkündete er, wobei er sich neben sie setzte.
    Â»Ah … das ist ja toll. Der Kleine schläft, siehst du?«, erwiderte sie einsilbig.
    Â»Ist es hier draußen nicht zu kalt?«, fragte er.
    Aus der Ferne hörten sie das metallische Scharren eines Rechens, mit dem der Gärtner die Alleen vom Laub befreite. Eine Amselfamilie, die zwischen den Zweigen einer Libanonzeder nistete, pickte auf dem kahlen, gefrorenen Boden herum.
    Es war drei Uhr am Nachmittag, bald würde die Sonne nicht mehr scheinen.
    Â»Du hast recht. Wir sollten lieber ins Haus gehen«, pflichtete sie ihm bei und stand auf.
    Langsam gingen sie auf die Villa zu. Guido schob den Kinderwagen, während sie sich bei ihrem Mann eingehakt hatte. Vor den Arkaden waren die Hausangestellten damit beschäftigt, den weihnachtlichen Lichterschmuck zu befestigen.
    Â»Ich habe so das Gefühl, dass dir die Armaturen fehlen«, bemerkte Guido, während sie die Mäntel auszogen und eine Angestellte den Kleinen übernahm.
    Â»Ja, das stimmt. Nach den Feiertagen werde ich in die Fabrik zurückkehren.«
    Dieser Entschluss verscheuchte die Lähmung, die sie morgens befallen und ihre Gedanken in dichten Nebel gehüllt hatte. Plötzlich sah sie klar vor sich, wie Roger sagte: »Im nächsten Jahr werde ich zur Wintersonnenwende wieder hier sein – und auf dich warten.«
    Der nächste Tag war der zweiundzwanzigste Dezember. Noch wusste sie nicht, ob sie nach Varenna aufbrechen würde. Den kleinen Giuseppe konnte sie nach dem morgendlichen Stillen inzwischen beruhigt den Dienstboten überlassen. Innerhalb weniger Sekunden stellte sie sich bis ins Detail vor, wie sie das kleine Hotel am See betreten würde. Wie sie in der Lobby stehen und fragen würde: »Ist Dottor Bastiani hier?«
    Daraufhin würde die Besitzerin antworten: »Er fährt gerade Ski in Bormio.« Oder: »Ich habe ihn dieses Jahr noch gar nicht gesehen.«
    Aber es gab auch noch eine andere Möglichkeit, nämlich die, dass Roger da war und sagte: »Kennen wir uns nicht von irgendwoher?«
    Â»Natürlich kennen wir uns. Sind wir nicht verabredet?«
    Sie bekam eine Gänsehaut. Was, wenn er dann sagte: »Ach ja, stimmt, jetzt erinnere ich mich wieder. Sie sind die ungeschickte Frau, die keinen Reifen wechseln konnte. Haben wir uns tatsächlich verabredet? Wissen Sie … man redet viel, wenn der Tag lang ist … Ehrlich gesagt bin ich erstaunt, dass Sie hier sind.«
    Während sie mit ihrem Mann zum Salon hinüberging, in dem Nesto den Tee servieren würde, flüsterte sie kaum hörbar: »Lieber würde ich im Erdboden versinken!«
    Â»Was hast du gerade gesagt?«, fragte Guido verwirrt.
    Sie errötete, wandte das Gesicht ab, damit er ihre Verlegenheit nicht bemerkte, und log: »Ach nichts, nur so ein Gedanke.«
    Im Wohnzimmer befanden sich Celina, aber auch Großvater Amilcare, der seit dem Tod seiner Frau mehr Zeit mit der Familie verbrachte.
    Der Patriarch hatte Gefallen daran gefunden, Pläne zu schmieden, wie man die Villa restaurieren könnte, oder alte Unterlagen und Fotos zu ordnen. Außerdem war er entzückt, wenn er an der Wiege seines winzigen Urenkels stand. Wer wusste schon, welche Abenteuer den Kleinen noch erwarteten!
    Amilcare Cantoni lächelte, als er sah, dass sein Enkel mit seiner französischen Frau hereinkam.
    Â»Wo ist der Kleine?«, fragte er.
    Â»Er schläft«, erwiderte Léonie und setzte sich neben ihn, während Guido seinem Großvater einen Kuss auf die Stirn drückte.
    Â»Du bist früher zurückgekommen als gedacht«, sagte Celina zu ihrem Sohn.
    Nesto kam mit dem Teewagen herein. Darauf standen die Kanne mit dem Tee, Tassen sowie ein Tablett mit hausgemachtem Gebäck, das jede Menge Butter und Zucker enthielt und von

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