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Bei Anbruch des Tages

Bei Anbruch des Tages

Titel: Bei Anbruch des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sveva Casati Modignani
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mehr aus dem Kopf.
    Diese verschlossene junge Frau erinnerte ihn irgendwie an Nonna Bianca. Und obwohl Guido die ausgeglichene Art seiner Mutter geerbt hatte, war er von seiner unvorhersehbaren Groß mutter fasziniert, die auf sämtliche Konventionen zu pfeifen schien. Bianca hörte nur auf ihren Instinkt, und es ging ihr nicht darum, anderen zu gefallen.
    Vielleicht hatte sich Großvater Amilcare einst genauso von Bianca Crippa angezogen gefühlt wie er jetzt von der schlanken Amaranta Casile: eben weil sie so ganz anders war.
    Nachdem Guido das goldene Armband zurückgelassen hatte, ließ er ein paar Tage verstreichen und beschloss dann, Amaranta anzusprechen. Eines Abends verließ er sein Büro und stieg in seinen Wagen. Doch anstatt zur Villa zu fahren, nahm er die Straße in den Ort.
    Er parkte den Wagen an der Böschung, die von einem rauschen den Bach gesäumt wurde, und wartete. Als er sah, wie Amaranta sich mit dem Rad näherte, stellte er sich mitten auf die Straße. Die junge Frau hielt an. Sie setzte einen Fuß auf den Asphalt und betrachtete ihn wortlos.
    Guido brachte kein Wort heraus. Er hatte einen trockenen Mund und fragte sich, was er da eigentlich tat. Dann schüttelte er den Kopf und wandte sich um, um zu seinem Auto zu gehen. Er umfasste gerade den Türgriff, als sie fragte: »Warum hast du mein Armband gestohlen?«
    Â»Ich habe es durch ein wertvolleres ersetzt«, erwiderte er.
    Â»Wertvoller als was? Vielleicht hat mir das andere ja besser gefallen.«
    Â»Als ich es dir geschenkt habe, warst du nicht besonders erfreut. Doch dann habe ich es auf deinem Schreibtisch wiedergefunden. Und jetzt sehe ich, dass du das neue Armband am Handgelenk trägst.«
    Â»Es ist aus Gold. Sonst wird es noch gestohlen.«
    Â»Kannst du nicht einfach sagen, dass es dir gefällt?«
    Â»Nein«, erwiderte sie, um dann hinzuzufügen: »Trotzdem danke. Auch wenn ich nicht weiß, warum du es mir geschenkt hast.«
    Â»Das weißt du ganz genau. Immerhin duzt du mich wieder, hast mich, anders als befürchtet, nicht umgefahren und mich aufgehal ten, als ich gehen wollte, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte.« Guido steckte eine Hand in die Hosentasche, zog das Armband mit den bunten Perlen hervor und sagte: »Seit wir zusammen auf der Grundschule waren, sind vierzehn Jahre vergangen. Du hast es die ganze Zeit über aufbewahrt.«
    Â»Du warst das erste Kind, das mir ein Geschenk gemacht hat. Ich hatte keine Ahnung, wie ich darauf reagieren sollte. Genau wie jetzt«, sagte sie, trat kräftig in die Pedale und fuhr davon.
    Sie trug ein schlichtes Baumwollkleid und schwarze Stoffschuhe mit Bändern.
    Guido stieg in seinen Wagen und fuhr nach Hause. Vor der Villa standen einige dunkelblaue Autos. Die Fahrer folgten einer Hausangestellten, die sie zum Speisesaal der Dienstboten führte.
    Â»Das hatte ich ganz vergessen!«, flüsterte Guido und schlüpfte durch die Veranda ins Haus, um auf sein Zimmer zu gehen und sich umzuziehen.
    Für diesen Abend hatte sein Vater »die Metzger« eingeladen. So nannte er die Familie Panigada, die Besitzer der größten Lebensmittelkette, die gerade an die Börse gegangen war, da sie seit Kurzem die Mehrheit an einer wichtigen Hotelkette besaß. Die nötigen Renovierungsarbeiten waren der Firma von Generoso Castelli übertragen worden, und für die Klempnerarbeiten hatten sie einen Vertrag mit den Cantonis abgeschlossen.
    Guido war bei den Verhandlungen dabei gewesen, die vor einigen Tagen zufriedenstellend zu Ende gegangen waren. Die Einladung in die Villa sollte dieses bemerkenswerte Geschäft mehr oder weniger besiegeln. Der Koch und der Patissier waren schon seit Tagen in der Küche beschäftigt gewesen, sogar Nonna Bianca war mit einbezogen worden, die einfach unübertrefflich war, wenn es galt, das Menü zu planen.
    Die Panigadas hatten Zwillinge, zwei zweiundzwanzigjährige, sehr hübsche Töchter. Eine der beiden war Meisterin im Offshore-Powerboat-Racing, die andere hatte einen Master in Betriebswirt schaft. Die Sportliche war mit einem aufstrebenden Fernsehmana ger verlobt, ihre Schwester mit der Arbeit verheiratet.
    Renzo Cantoni und seine Frau Celina hatten die jungen Frauen ebenfalls eingeladen und Guido gebeten, am Essen teilzunehmen. Der jedoch hatte andere Dinge im Kopf und hätte die schon vor langer Zeit getroffene Verabredung beinahe

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