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Bei Anbruch des Tages

Bei Anbruch des Tages

Titel: Bei Anbruch des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sveva Casati Modignani
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vergessen.
    Während des Essens gab er sich jedoch als liebenswürdiger Gastgeber, besonders Signora Panigada gegenüber. Diese lobte bei jedem Gang die Speisen des »Küchenchefs« im Hause Cantoni und sprach unbekümmert über die einzelnen Fleischgerichte, wobei sie sich in detaillierten Schilderungen des Entbeinens erging und damit ihre Töchter und alle anderen Anwesenden ziemlich in Verlegenheit brachte.
    Das ging so weit, dass die Meisterin im Offshore-Powerboat-Racing irgendwann sagte: »Hör auf, Mama. Deine furchtbaren Schilderungen gehen allen auf die Nerven.«
    Die Mutter entgegnete barsch: »Hör du auf! Ich schäme mich nicht zu sagen, dass der Schmuck, den ich trage, mit Geld aus dem Verkauf von Rinderhälften bezahlt wurde. Während du die Frechheit besitzt, dich Vegetarierin zu schimpfen! Wenn alle Vegetarier würden, könntest du deine Motorrennboote vergessen!«
    Nonna Bianca lachte verstohlen, wobei sie den Mund hinter einer Serviette verbarg und ihrem Enkel zuflüsterte: »Die Metzgersfrau ist mir tausendmal lieber als ihre Tochter, findest du nicht auch?«
    Guido lächelte ihr verschwörerisch zu. Er musterte die beiden milliardenschweren Zwillinge und dachte an Amaranta, an ihre Stoffschuhe und ihr hartes, ärmliches Leben.
    Als die Nonna verkündete, sie wolle sich zurückziehen, da sie müde sei, begleitete er sie, um sich von den Panigadas loszueisen. Kaum hatte er Biancas Wohnbereich betreten, beschwerte sich diese über Renzo und Celina: Sie seien von der hirnrissigen Idee besessen, ihn reich zu verheiraten.
    Â»Das ist mir egal, Nonna. Reg dich darüber nicht auf«, beschwor der Enkel sie.
    Â»Siehst du denn nicht, was aus der armen Metzgerin geworden ist? Eine Dienstbotin, für die sich die eigenen Töchter schämen. Und deine Mutter, die Contessa, die eine hervorragende Ausbildung genossen hat, fürchtet sich immer noch vor der Armut. Sie würde es sicher gerne sehen, wenn du eine der milliardenschweren Zwillinge heiratest!«
    Â»Aber Mama hat sich in papà verliebt!«, beharrte der Enkel.
    Â»Das mag sein … Aber ich bin mir nicht sicher, ob sie wirklich glücklich ist. So glücklich wie ich mit deinem Großvater, obwohl er nur ein Bauernsohn war«, verkündete sie.
    Â»Da bin ich ganz deiner Meinung. Vielleicht habe ich mich deswegen in eine junge Frau verliebt, die aus einer armen Familie stammt«, gestand er in diesem Moment.
    Â»Hört, hört! Und wer soll das sein? Raus mit der Sprache! Du weißt, dass mir Liebesgeschichten gefallen.«
    Guido erzählte ihr das, was es über Amaranta zu sagen gab.
    Â»Pass auf, dass du dein Leben nicht ruinierst! Denn so wie du es beschreibst, handelt es sich bei dir nur um eine verrückte Leidenschaft, die genauso schnell wieder vergeht, wie sie gekommen ist. Die mittellose junge Frau aus dem Lager … Weißt du, wenn sich die Leidenschaft zwischen zwei jungen Menschen nur aufs Körperliche beschränkt, ist sie schnell verflogen.«
    Â»Bisher habe ich sie noch nicht einmal zum Essen eingeladen«, sagte Guido.
    Â»Und das ist auch besser so. Lade sie lieber nicht ein. Aber es ist witzlos, dass ich dir Ratschläge erteile, denn du wirst sowieso nicht auf mich hören.«

6
    G uido hörte tatsächlich nicht auf seine Großmutter. Jeden Abend, wenn die Angestellten nach Hause gingen, stand er am Fenster seines Büros, um Amaranta nachzuschauen.
    Er fürchtete den Klatsch, den es geben würde, wenn er sie in der Firma ansprach. Er hoffte, wenn auch mit wenig Überzeugung, dass seine Leidenschaft für sie irgendwann nachlassen würde. Zur Ablenkung ging er oft mit seinen Mailänder Freunden aus und flirtete mit anderen Frauen.
    Nicht einmal auf Geschäftsreisen gelang es ihm, sie aus seinen Gedanken zu verbannen, und wenn er zurück war, beobachtete er sie wieder durchs Bürofenster. Inzwischen war es Herbst, und sie trug eine Wolljacke und hatte das blonde Haar unter einer schwarzen Mütze verborgen. Wenn es regnete, schützte sie sich mit einem gelben Regencape vor der Nässe. Wie sehr ihn diese einsame junge Frau doch rührte, von der er kaum etwas wusste und über die niemand sprach, weil nur wenige sie kannten!
    Der Winter kam, und Guido wollte ein Wochenende in Sestriere verbringen. Am Morgen vor der Abfahrt ging er wie üblich zum Frühstücken auf die Veranda, wo sein

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