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Bei Anbruch des Tages

Bei Anbruch des Tages

Titel: Bei Anbruch des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sveva Casati Modignani
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Erfahrung war. Dann war ich zu einer Fortbildung für ein halbes Jahr in den Vereinigten Staaten, in Cincinnati. Ich habe bei einer farbigen Zwölfjährigen einen Kaiserschnitt durchgeführt, die von einem vierzehnjährigen Klassenkameraden schwanger geworden war. Ich habe eine Krise mit meiner Frau überstanden, die die Folgen des furchtbaren Unfalls immer noch nicht verwunden hat …«
    Â»Welche Folgen?«
    Â»Sie hat ein Hinken zurückbehalten. Und anstatt dem Schicksal dankbar zu sein, dass sie fast wieder genesen ist, macht sie ein Riesendrama aus dieser kleinen Behinderung und hat sogar Depressionen. Die Kinder leiden darunter, und auch ich bekomme es zu spüren. Ansonsten betrachte ich abends die Sterne, dieselben, die auch deine Nächte erhellen, und denke an dich.«
    Léonie nahm einen Schluck Bier, schloss die Augen und lauschte seinen Worten.
    Â»Ich bin so glücklich, dass es dich in meinem Leben gibt … Ich liebe dich sehr, Léonie.«
    Ein eiskalter Windstoß ließ sie erschaudern.
    Â»Du darfst dich nicht erkälten. Gehen wir hinein!«, sagte Roger. Dann sah er auf die Uhr.
    Â»Ich glaube, du solltest zu deiner Gioia zurückkehren.«
    Â»Aber ich bin doch gerade erst angekommen!«, protestierte sie.
    Â»Vor zwei Stunden. Mach es mir nicht noch schwerer, mein Schatz!«
    Die kleine Lobby lag verlassen da. Sie traten auf die Via del Prestino hinaus und gingen langsam, Hand in Hand, die Treppe zum Parkplatz hinauf.
    Léonie stieg in ihr Auto und ließ den Wagen an. Roger setzte sich neben sie.
    Sie umarmten sich, und er wischte ihr eine Träne aus dem Gesicht.
    Â»Es gibt keinen Grund zu weinen. Bis wir uns wiedersehen, dauert es gerade mal ein Jahr!«, scherzte er.
    Â»Und was, wenn wir uns vorher wiedersehen würden?«, flüsterte sie. »Zum Beispiel im …«
    Â»Im Frühling?«, schlug er vor.
    Â»Dann würden wir gegen unsere Abmachung verstoßen«, bemerkte sie traurig.
    Er nickte.
    Â»Frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr, Léonie!«, flüsterte Roger.
    Â»Ich liebe dich«, sagte sie.
    Â»Pass mir auf dich und deine Kleinen auf«, riet er ihr. Und kurz bevor er ausstieg, schenkte er ihr ein verschmitztes Lächeln und sagte: »Bitte bring dein viertes Kind nicht kurz vor oder nach unserem nächsten Treffen zur Welt.«
    Â»Ich werde mein Bestes tun, aber du weißt ja, wie das ist: Kinder kommen, wann sie wollen.«

7
    O bwohl der zweiundzwanzigste Dezember der kürzeste Tag des Jahres ist, kehrte Léonie noch vor Sonnenuntergang nach Villanova zurück.
    Sie wurde von der Melodie eines Weihnachtslieds empfangen, das ihre Schwiegermutter am Klavier spielte, während Giuseppe dazu sang, Gioia wimmerte, und Gioacchino, der dem großen Bruder nacheifern wollte, brabbelte vor sich hin. Doch weil er schon müde war, döste er gleich darauf ein.
    Léonie küsste ihre beiden Söhne und nahm das Neugeborene auf den Arm. »Hat Gioia die ganze Milch getrunken?«, fragte sie die Kinderfrau, die die Kleine betreut hatte.
    Â»Sie hat keinen einzigen Tropfen übrig gelassen«, erwiderte die Frau, die alle in der Familie mit ihren lustigen Versprechern amüsierte, bei denen Estragon zu Östrogen wurde und Variationen zu Varitationen.
    Gioia wimmerte nun lauter, Giuseppe hatte aufgehört zu singen und versuchte, die Großmutter zum Weiterspielen zu bewegen, indem er neben ihr wütend auf die Tasten eindrosch.
    Â»Mach einen Kamillentee. Ich möchte der Kleinen etwas davon geben«, bat Léonie das Dienstmädchen und setzte sich dann auf das Sofa, auf dem Gioacchino eingeschlafen war.
    Léonie liebte es, mit ihren Kindern und ihrer Schwiegermutter zusammen zu sein, die zwischen Mozartsonaten und Krapfen mit kandierten Früchten gelassen alterte.
    Â»Giuseppe, hör auf, so in die Tasten zu hauen, und komm zu deiner Mutter! Ich will dich umarmen.«
    Â»Ich will singen!«, erwiderte der Kleine.
    Â»Dann setz dich zu mir, und wir singen gemeinsam«, schlug Celina vor, die angesichts ihres Umfangs vergeblich versuchte, ihm auf dem Schemel Platz zu machen.
    Das Hausmädchen brachte einen lauwarmen Kamillentee mit Honig, und Léonie verabreichte Gioia etwas davon, woraufhin sich das Kind sofort beruhigte.
    Â»Wo ist Guido?«, fragte Léonie.
    Â»Er ist mit dem Elektriker ins Dorf gefahren, um neue Lichterketten zu kaufen. Die vom

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