Bei Dir bin ich geborgen
zwei Jahre vergangen. Michael begann gerade erst, sich daran zu gewöhnen, dass sein Dad nicht mehr da war. Livvy war zum Glück noch zu klein gewesen, um seinen Tod bewusst zu erleben.
Im Moment und auch in nächster Zukunft musste sich Glynnis auf die Kinder und ihren Beruf konzentrieren. Sie musste endlich lernen, sich auf sich selbst und nur auf sich selbst zu verlassen. Erst dann wäre sie wieder bereit für eine Beziehung.
Eine Beziehung, die hielt und sich entwickeln konnte.
Ob das eine Beziehung mit Dan sein konnte, würde sich mit der Zeit erweisen.
Bis dahin sollten sie besser einfach nur Freunde bleiben.
6. KAPITEL
An Heiligabend hatte Dan Rufbereitschaft, musste aber nicht ins Police Department. Er hatte ausgeschlafen, denn am Abend zuvor hatte er mit seinen Eltern und seiner jüngsten Schwester Renny und ihrem Verlobten die Mitternachtsmesse besucht.
Seit Jahren war er nicht mehr im Gottesdienst gewesen, doch er wusste, wie sehr sich seine Mutter freuen würde, wenn er mitginge. Und so war es dann auch gewesen. Nach der Messe hatte seine Mutter ihn stolz ihren Freunden vorgestellt.
Manchmal hatte er den Eindruck, sie habe Mitleid mit ihm, weil er mit seiner Frau kein Glück gehabt und sein Kind verloren hatte. Andererseits machte jeder Mensch Fehler. Das Wichtige war nur, dass man sie nicht wiederholte, sondern daraus lernte.
Heute Abend wollte sich der ganze O’NeillClan um neun Uhr zum Essen versammeln. Bis dahin hatte Dan noch einige Stunden Zeit. Er frühstückte, duschte und zog sich dunkle Gabardinehosen und einen grauen Rollkragenpullover an. Dann packte er die ganzen Geschenke, die er besorgt hatte, in große Einkaufstüten und legte drei bunt eingepackte Päckchen auf den Vordersitz des Wagens. Sie waren für Glynnis und ihre Kinder.
Zuerst hatte er nicht gewusst, ob er überhaupt etwas für sie kaufen sollte. Doch warum auch nicht? Die drei hatten eine schlimme Zeit durchgemacht. Und außerdem hatte er sie irgendwie… lieb gewonnen. Also war er seinem Impuls gefolgt und hatte etwas für sie gekauft. Hoffentlich freuten sie sich so über die Geschenke wie er, als er sie besorgt hatte.
Gegen Mittag machte er sich zu Glynnis auf. Er hatte vorher extra nicht angerufen, weil er sie überraschen wollte. Möglicherweise waren sie aber gar nicht da? Nun, einen Versuch war es wert.
Das Haus wirkte einladend. Offenbar hatte es Glynnis noch geschafft, die Blaufichte vor dem Haus mit einer Lichterkette zu schmücken. Von innen leuchteten die Kerzen des Weihnachtsbaumes, und an der Eingangstür hing ein großer, mit roten Bändern und goldenen Zapfen geschmückter Kranz. Jetzt fehlte nur noch der Schnee, um das Bild komplett zu machen, doch seit dem Schneefall an dem Tag, als er Olivia wieder gefunden hatte, hatte es nicht mehr geschneit.
Die Temperaturen lagen unter null, und für das Wochenende waren neue Schneefälle angesagt. Dan läutete, während er die Päckchen auf den Armen balancierte. Durch die seitlichen Fenster konnte er Glynnis sehen. „Fröhliche Weihnachten!“ sagte er grinsend, als sie die Tür öffnete.
„Dan!“ Ihr Gesicht leuchtete auf. „Ihnen auch fröhliche Weihnachten. Was machen Sie denn hier?“
Er sah Michael, der sich scheu hinter seiner Mutter versteckte. „Ich habe bei Santa Claus ein paar Sachen bestellt.“ Er zwinkerte Michael zu, unsicher, ob der Junge überhaupt noch an den Weihnachtsmann glaubte.
Michael grinste. Dans Blick begegnete wieder Glynnis’.
„Das wäre aber nicht nötig gewesen“, murmelte sie, als sie zur Seite trat, um ihn hereinzulassen.
Inzwischen war auch Livvy gekommen. In ihrem rotgrün gemusterten Schottenkleid und den Strumpfhosen sah sie einfach süß aus. Rund um ihren Mund und auf dem Kleid waren Marmeladenreste zu sehen, und außerdem trug sie nur einen Schuh. Dan unterdrückte ein Kichern.
„Oh, Livvy!“ rief Glynnis. „Wirklich, habe ich dir nicht gesagt, du sollst das Lätzchen umlassen, solange du isst?
Und wo ist dein zweiter Schuh?“ Mit leiser Stimme sagte sie zu Dan: „Dieses Kind lässt mir vor der Zeit graue Haare wachsen. Sie hört einfach nicht, wenn sie nicht hören will.“
Livvy sah auf ihre Füße. „Mein Schuh is inda Küche.“ Glynnis verdrehte die Augen, und jetzt konnte Dan sein Lachen nicht länger zurückhalten.
„Michael“, meinte Glynnis, „zeig Lieutenant O’Neill doch unseren Weihnachtsbaum. Ich gehe solange mit deiner Schwester in die Küche und
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