Bei Interview Mord
machte eine beschwichtigende Geste. »Lassen Sie mal. Es ist besser, wenn Sie keine Unterlagen über mich im Hause haben. Ich melde mich bei Ihnen.«
Frau Schall sah mich an, und diesmal schwang etwas Bewunderung mit. »Sie haben Recht. So machen wir's.«
Ich verabschiedete mich und ging.
Ich brauchte ja niemandem auf die Nase zu binden, dass ich mir kein Handy leisten konnte.
Taxi
Ich stand auf einem Meer aus Pflastersteinen, und vor mir schwankte ein riesiges metallisches Quadrat hin und her. Es hatte große Löcher und erinnerte an ein dickes Gitter, einen gigantischen Metallkeks oder eine monströse eiserne Tafel Ritter Sport. Langsam legte es sich in alle möglichen Schräglagen, als wolle es einen fremdartigen Tanz vollführen. Von unten wurde es dabei von schäumenden Wasserfontänen bespritzt.
Ich befand mich mitten auf dem Konrad-Adenauer-Platz, einem Teil der Bergisch Gladbacher Fußgängerzone, und hielt einen Stadtplan in der Hand. Hinter dem quadratischen Brunnen begrenzte die Fassade des Rathauses das Szenario, ein Gebäude aus bräunlichem Naturstein mit zwei wie skeptische Augenbrauen hochgezogenen Spitzgiebeln. Weiter oben ragte ein kleines Türmchen aus dem Dach, das wie eine zu klein geratene Krone aussah. Vor der Eingangstür zum Hochparterre schob sich ein kleiner Vorsprung nach vorn, den man über zwei seitliche Treppen erreichte.
Dort waren Landauer und seine Braut herausgekommen und auf das Podest getreten. Und dort hatte Jutta sie erwartet. Die Tür lag etwa zwei Meter über dem Niveau des Platzes. Man konnte von hier unten aus prima jeden ins Visier nehmen, der da oben stand. Und auf der Treppe und dem Vorsprung war es so eng, dass kaum zwei Leute hintereinander passten. Man gab eine perfekte Zielscheibe ab.
Zwischen dem Rathaus und dem großen Platz quetschte sich eine schmale einspurige Einbahnstraße. Der Verkehr kam links den Berg herab, strömte dann gleich unterhalb der Treppe vorbei und setzte sich rechts bergauf wieder fort. Ab hier hieß die Straße Laurentiusstraße, und dort hinauf war der Motorradfahrer geflüchtet.
Ich ging ein Stück auf das Rathaus zu. Als ich die Straße erreicht hatte, wandte ich mich weiter nach rechts. Hier war der Platz mit Pfählen begrenzt. Für ein Motorrad waren sie kein Hindernis. Das Geschehen auf der Rathaustreppe hatte man wunderbar im Blickfeld.
Ich überprüfte auf der Karte, wo der Motorradfahrer hingefahren sein konnte. Es gab mehrere Möglichkeiten. Über die Odenthaler Straße stadtauswärts oder durch die Schlade hinauf auf die B 506 - dieselbe Straße, die auch nach Kürten zu Radio Berg führte. Mit rabiater Fahrweise war man sicher in ein paar Minuten aus der Stadt.
Ich hatte damit gerechnet, dass es in direkter Nähe des Tatorts ein Geschäft oder einen Kiosk geben würde, wo ich Zeugen finden oder zumindest danach fragen konnte. Aber das Café neben dem Bergischen Löwen auf der anderen Seite des Platzes war viel zu weit entfernt. Eine bessere Möglichkeit war das Schreibwarengeschäft auf der linken Seite, gleich neben dem hohen Bauzaun, hinter dem ein Kran aufragte.
Ich näherte mich dem großen Schaufenster mit Kalendern, Notizbüchern und Stiften und drückte gegen die Eingangstür. Hinter dem Tresen, vor hohen Regalen mit Heften in allen Größen und Vitrinen mit Füllfederhaltern, stand eine Verkäuferin. Ich bat um einen preiswerten Kugelschreiber. Die Frau legte mir ein paar Stifte hin. Ich entschied mich für einen leuchtend blauen. Er besaß ungefähr dieselbe Farbe wie der Mercedes, den ich auf Piets Parkplatz gesehen hatte.
»Haben Sie das gestern mitbekommen? Den Mord vor dem Rathaus?«, fragte ich.
»Das war ja kaum zu vermeiden«, sagte die Frau und tippte bedächtig den Betrag in die Kasse.
Ich holte meine Geldbörse heraus und suchte Münzen zusammen.
»Sind Sie drüben vor dem Rathaus gewesen? Haben Sie gesehen, was passiert ist?«
Sie schüttelte den Kopf. »Wir haben hier gearbeitet.«
Wer ist wir?, dachte ich. »Hat Sie denn das Interview mit diesem Zauberkünstler nicht interessiert?«
»Ach, da draußen ist immer irgendwas. Manchmal der Markt, manchmal irgendeine Werbeveranstaltung. Ich hab's erst mitbekommen, als die Polizei anrückte.«
Die Frau schloss rasselnd die Kasse. Der Fall war für sie erledigt.
Ich legte das Geld hin und wandte mich um. Das Schaufenster war von innen verdeckt, und mit ihm der Blick zum Tatort.
Draußen an der Ecke zündete ich mir eine Zigarette an. Wie viele
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