Bei Landung Liebe
noch in die Stadt ging. Ich vermisste es, abends mit jemandem zu reden. Sonst, wenn Markus mit seinen Freunden unterwegs und ich abends allein zu Hause war, telefonierte ich mit Julia. Was sie wohl gerade machte? Ich hatte seit einer E-Mail vor zwei Wochen nichts mehr von ihr gehört. Darin hatte sie mir berichtet, sich bei ihrer Gastfamilie gut eingelebt zu haben. Sie wollte mir mit der nächsten Mail ein paar Fotos schicken, auf die ich schon ganz gespannt wartete. Ich aß auf, räumte meine Sachen weg und machte mich daran, Markus’ Bett zu überziehen.
Irgendwie war mir nicht wohl dabei, dass Ryan hier schlafen sollte, aber es war nun mal Markus’ Entscheidung und ich würde Ryan das Angebot wie versprochen vorschlagen. Bevor ich das Zimmer wieder verließ, räumte ich noch einige herumliegende Zeitschriften auf und verstaute ein paar von Markus’ Sachen in seinem Schreibtisch. Dabei fiel mein Blick auf das Foto, das auf dem Tisch stand. Es zeigte unsere Eltern und uns beide während des 72. Geburtstags von Großmutter Martha. Wir saßen in ihrem wunderbaren Garten unter dem großen Kirschbaum und tranken Kaffee. Meine Oma wohnte in einem kleinen Haus auf dem Land und ich liebte es dort zu sitzen. Ich konnte mich noch gut an den Tag erinnern. Es war der letzte Geburtstag, den wir zusammen gefeiert hatten. Nur wenige Wochen darauf waren unsere Eltern verunglückt. Meine Kehle schnürte sich zu und ich eilte aus dem Zimmer.
Ryan kam an diesem Abend später als gewöhnlich nach Hause. Ich lag schon im Bett, fand aber trotzdem keinen Schlaf. Er zog sich gerade die Schuhe aus, als ich meine Zimmertüre öffnete, um von Markus’ Vorschlag zu berichten.
„Hi“, begrüßte ich ihn.
„Hi“, erwiderte er.
„Ich habe heute mit Markus telefoniert.“
„Wie geht es ihm?“
„Stetig auf dem Weg der Besserung. Er meinte, wenn du möchtest, kannst du, solange er im Krankenhaus ist, sein Zimmer haben. Das Bett ist frisch überzogen.“
„Ok.“
Das war alles? Ich hatte eine andere Reaktion erwartet. Dass er sich zum Beispiel freuen würde.
„Ich hab da noch etwas für dich“, sagte er und kramte in seinem Rucksack. Er reichte mir eine Postkarte und ich erkannte Julias Handschrift darauf.
„Die war wohl irgendwie zwischen meine Zeitung gerutscht.“
Erwartungsvoll nahm ich die Karte entgegen und überflog hastig den Text. Julia schwärmte in den höchsten Tönen. Leider hatte sie noch keine Zeit gefunden mir eine ausführliche E-Mail mit den versprochenen Bildern zu schicken, versprach aber, das bald nachzuholen. Gerade als ich mich bei Ryan bedanken wollte, bemerkte ich, dass er schon im Bad verschwunden war. Ich hörte, wie er die Dusche anstellte, und ging etwas enttäuscht zurück in mein Zimmer. Ich hatte gehofft, mich etwas mit ihm unterhalten zu können, aber Ryan wirkte seltsam niedergeschlagen. Aber vielleicht war er einfach nur müde gewesen.
Am nächsten Tag war ich gerade damit beschäftigt Kaffee aufzusetzen, als Ryan, nur mit T-Shirt und Boxershorts bekleidet, in die Küche kam.
„Guten Morgen. Kaffee?“, fragte ich ihn und deutete auf eine Tasse.
„Gerne.“
Er sah noch total verschlafen aus. Seine Haare waren ganz durcheinander und er wirkte irgendwie zerknautscht. Ich fischte eine zweite Tasse aus dem Schrank und goss noch etwas mehr Wasser in die Kaffeemaschine.
„Gut geschlafen?“
„Fast zu gut. Ich dachte schon ich wache gar nicht mehr auf. Für meinen Rücken war es eine Wohltat nach den vielen Nächten auf dem Sofa. Es geht doch nichts über ein ordentliches Bett.“
„Das glaube ich. Aber gewöhn dich nur nicht zu sehr daran. Wenn Markus wieder da ist, wirst du wieder auf das Sofa umsiedeln müssen.“
„Mal sehen. Vielleicht kann ich mir bald eine eigene Bleibe suchen.“
Ein klammes Gefühl breitete sich in meiner Brust aus. Der Gedanke, dass Ryan bald hier auszog, gefiel mir plötzlich überhaupt nicht. Was war denn nur mit mir los? Anfangs war mir jede Stunde, die er hier war, zu viel und nun passte es mir nicht, wenn er auszog. Genau auf das wartete ich doch schon seit Wochen.
„Läuft es so gut im Fitnessstudio?“, fragte ich skeptisch.
Ryan fuhr sich mit einer Hand durch seine Haare und zuckte dann mit den Schultern.
„Nils hat sich in der letzten Zeit irgendwie verändert. Er ist nur noch auf Profit aus und will, dass seine Angestellten möglichst viele Kunden an Jahresmitgliedsverträge binden. Er setzt uns damit täglich unter Druck.“
Die
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