Bei Landung Liebe
zu machen. Nur musste dieses Ventil ausgerechnet ich sein? Konnte er nicht einfach Fußball spielen, um dort seinen Ärger abzureagieren? Sicher war das keine einfache Situation für einen Jungen, der auf dem Sprung in die Pubertät war, aber nicht einmal jetzt konnte ich Verständnis dafür aufbringen, wie er mich damals behandelt hatte.
Wenn ich mich recht erinnere, war die Scheidung eine wahre Schlammschlacht und Ryan derjenige, der zwischen den Fronten stand. Als Einzelkind versuchten sein Vater und auch seine Mutter, ihn auf ihre jeweilige Seite zu ziehen. Da Ryans Mutter sich allerdings mehr um einen konstanten Alkoholpegel im Blut kümmerte, als um ihren Sohn, bekam Ryans Vater letzten Endes das Sorgerecht zugesprochen.
Über einen Freund aus seiner Heimat lernte er bald eine neue Partnerin kennen. Sie blieben solange in Deutschland, bis Ryan die Schule abgeschlossen hatte und für mich kam es schließlich einer Erlösung gleich, als sie zurück in die USA gingen.
Wenn er allerdings glaubte, ich würde mich an seine Gemeinheiten nicht mehr erinnern und nun für ihn das Hausmädchen spielen, täuschte er sich gewaltig. Aber das würde ich ihm schon noch zu verstehen geben.
Bald fühlte ich mich jedoch erst einmal entspannt genug, um den Abend zwar anders als gedacht, aber dafür in Ruhe in meinem Zimmer ausklingen zu lassen. Doch gerade in dem Moment, als ich einen Fuß aus der Wanne setzte und nach einem Handtuch griff, wurde die Tür aufgerissen und Ryan stürzte herein.
Erschrocken starrte ich ihn an. Mein Mund klappte auf und wieder zu, ohne einen Ton hervorzubringen. Wie ein Kaninchen vor der Schlange. Treffender konnte ein Vergleich kaum sein. Der kalte Luftzug, der von der Tür herein wehte, bescherte mir eine Gänsehaut. Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich vollkommen nackt vor ihm stand. Mir fiel auf die Schnelle nichts anderes ein, als mir den Duschvorhang zu schnappen, um meine Blöße zu bedecken.
„Mach, dass du raus kommst! Was fällt dir ein, hier so reinzuplatzen“, kreischte ich, als ich endlich meine Stimme wiedergefunden hatte.
Oh mein Gott, ich hörte mich an wie eine hysterische Ziege. Aber es ging schließlich um Leben oder Tod. Zumindest für mich. Mein Herz schlug bis zum Hals. Ryan und ich hielten uns gerade einmal eine halbe Stunde gemeinsam unter einem Dach auf und schon passierte die erste Katastrophe. Da ich noch nicht abgetrocknet war und der Vorhang wie eine zweite Haut an mir klebte, bekam er immer noch mehr zu sehen, als mir lieb war. Ohne sich einen Millimeter zu bewegen, stand er einfach nur in der Tür und sah mich an.
„Raus“, fauchte ich erneut und funkelte ihn böse an. Seine eisig blauen Augen bohrten sich in meine braunen. Ich musste den Kopf heben, um ihm in die Augen sehen zu können. Ryan war mindestens einen Kopf größer als ich. Und der Kerl besaß doch tatsächlich auch noch die Frechheit, mich eingehend zu mustern, oder bildete ich mir das etwa ein?
„Schließ das nächste Mal gefälligst zu, Prinzessin“, erwiderte Ryan mit einem selbstgefälligen Grinsen, drehte sich langsam um und knallte dann die Tür zu.
Prinzessin . Das Wort hatte er quasi ausgespuckt. Schnell stieg ich aus der Wanne und griff erneut nach einem Handtuch. Eilig schlang ich es mir um und verriegelte die Tür.
Was fiel diesem Idioten ein, mir jetzt die Schuld in die Schuhe zu schieben, nur weil er einfach so in mein Badezimmer geplatzt war? Andererseits könnte ich mich selbst dafür ohrfeigen, nicht zugesperrt zu haben. Aber bei Markus musste ich noch nie zuschließen, er wusste, wann ich im Bad war, und kam dann auch nie unangemeldet einfach herein, sondern klopfte vorher an. Selbst die simpelsten Anstandsregeln waren Ryan offenbar völlig fremd. Man stürmte doch nicht einfach so in ein fremdes Badezimmer!
Aber das zeigte, dass er sich kein bisschen verändert hatte. Er war noch immer der gleiche egoistische Mistkerl, wie vor zehn Jahren.
Morgen musste ich mit Markus unter vier Augen reden. Dass Ryan auf der Couch schlief, durfte auf keinen Fall zum Dauerzustand werden. Ein paar Tage würde ich aushalten, aber mehr auch nicht. Meine Toleranz stieß schon jetzt an ihre Grenzen, doch heute war es sinnlos, ein vernünftiges Gespräch mit meinem Bruder zu suchen.
Also schlüpfte ich in meine geliebte, ausgeleierte Jogginghose und zog mir ein bequemes Top an. Meine noch nassen Locken band ich mit einem Haargummi zusammen. Dann ging ich barfuß in mein Zimmer, schloss
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