Bei Landung Liebe
selbst belügen. Tief im Inneren wusste ich, dass ich mehr Gefühle für ihn hatte. Sonst wäre es nicht so furchtbar gewesen, ihn mit einer anderen zu sehen. Aber was sollte ein Typ wie er schon von einer Langweilerin wie mir wollen?
Morgen, sobald wir wieder auf dem Weg nach Hause waren, wäre sicherlich wieder alles beim Alten. Ryan wäre wieder der beste Freund meines Bruders und ich dessen kleine Schwester. Er wäre wieder der, der auf unserem Sofa schlief und dessen Bananenmilch ich mir gelegentlich auslieh. Kein Grund zu Aufregung also. Zweifellos spürte ich im Moment eine enorme Anziehungskraft von ihm ausgehend. Diese eine Woche war einfach fantastisch gewesen. Ein warmes Gefühl durchströmte mich, als Ryan sich zu mir wandte und neben seinem linken Mundwinkel, wie immer wenn er lächelte, das Grübchen auftauchte.
Verlegen erwiderte ich sein Lächeln und in diesem Moment beschloss ich, meine Gedanken an die Rückreise und die damit verbundenen Konsequenzen, aus meinem Kopf zu verbannen. Heute würde ich mich einfach treiben lassen.
Wir holten uns etwas zu trinken, setzten uns auf die Stufen der Veranda und beobachteten die anderen Gäste. Einige wenige hatten sich auf der Tanzfläche versammelt. Aus den Boxen kam langsame Musik und die tanzenden Paare hielten sich eng umschlungen fest.
„Warum hast du mir nie von ihr erzählt?“, wollte ich von Ryan wissen.
„Du hast mich nie gefragt.“
„Woher hätte ich denn ahnen können, dass du eine Stiefschwester hast?“
Ryan schwieg. Die Fackel, die neben uns stand, zeichnete tanzende Schatten auf sein Gesicht.
„Ich habe gehofft, dass sie sich bis zur Feier mit meinem Dad wieder versöhnt hätte, aber das wird allem Anschein nach noch eine Weile dauern. Darum habe ich euch bei dem Ausflug mit dem Aussichtsschiff nicht begleitet. Ich habe Casey abgeholt und sie in ein Hotel gebracht“, erklärte er schließlich. Ryan nahm einen Schluck aus seinem Becher und redete leise weiter.
„Casey hatte damals viele Probleme. Falsche Freunde, keine Arbeit, Drogen. Das volle Programm. Mein Vater wollte ihr helfen, aber sie lehnte all seine Angebote ab. War wohl eine Art Trotzreaktion darauf, dass ihre Mutter und mein Vater geheiratet hatten. Irgendwann schaffte sie den Absprung, aber als sie sich an einer Schauspielschule in New York einschrieb, flippte mein Vater aus. Er hatte Angst, dass sie wieder in die falschen Kreise geraten könnte, doch Casey hat mehr Kraft, als man ihr ansieht. Nach ewigen Streitereien packte sie eines Nachts ihre Koffer und war weg. Mein Dad war so sauer, dass er Caseys Sachen noch am selben Tag in die Garage verfrachtete und ihr Zimmer als Gästezimmer umbaute.“
Wieder nippte Ryan an seinem Getränk.
„Mittlerweile hält sie sich mit kleineren Rollen über Wasser. Gelegentlich läuft sie schon mal als Hotdog verkleidet durch New York und drückt Passanten Werbung in die Hand. Sie wird durch ihre Arbeit nicht reich, aber sie liebt, was sie tut. Mein Dad meint das alles nicht so böse, wie es auf Außenstehende den Anschein hat. Er will sie nur schützen, aber leider sind beide extreme Sturschädel.“
„Ich hab euch beide gestern zusammen gesehen“, gestand ich.
„Ich dachte, Casey wäre deine Freundin.“
„Das hast du geglaubt?“ Er sah mir direkt in die Augen und zwischen seinen Augenbrauen bildete sich eine senkrechte Falte. Ryan wirkte enttäuscht.
„Ihr saht so vertraut aus. Ihr habt euch umarmt und ich kam mir so benutzt vor.“
„Du kamst dir benutzt vor?“
Sanft nahm er meine Hand und hielt sie fest.
„Ja, ich dachte … ich dachte … einen Tag vorher hatten wir uns hier noch geküsst und am nächsten Tag sah ich dich mit Casey im Arm. Da sind mir einfach die Sicherungen durchgebrannt“, sagte ich leise, da ich nicht wollte, dass die anderen Gäste unabsichtlich Zeuge unseres Gesprächs wurden.
„Deswegen also die plötzlichen Kopfschmerzen?“
„Ja, ich kann es mir auch nicht erklären. Vielleicht war ich ein wenig eifersüchtig.“
Ein wenig war stark untertrieben, aber das musste er nicht erfahren. Jetzt, nachdem ich wusste, dass die Frau von gestern seine Stiefschwester war, kam ich mir idiotisch vor. Warum musste ich auch immer gleich von Schlimmsten ausgehen?
„Eifersüchtig? Interessant.“ Ryan grinste mich wissend an.
Mein schlechtes Gewissen nagte an mir. Verlegen biss ich auf meine Unterlippe und nickte.
„Ja. Seit ich meinen Ex mit einer Anderen erwischt habe, reagiere ich in der
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