Bei Landung Liebe
Moment der Veränderung. Aber ich hatte durchaus das Gefühl zu sterben.
Am nächsten Morgen wachte ich alleine in meinem Bett auf. Mein Wecker zeigte acht Uhr morgens an und mein erster Gedanke war, ob Ryan überhaupt nach Hause gekommen war. Ich schloss meine geschwollenen Augenlider wieder und dachte nach. Was sollte ich nur tun? Ryan heute gegenüberzutreten war unmöglich. Dazu war ich einfach nicht in der Lage. Ich griff nach meinem Handy. Zwei Kurznachrichten waren eingegangen. Eine von Markus, der mir mitteilte, dass sein Zug um kurz nach elf am Bahnhof eintraf. Die andere von Ryan, der mir eine gute Besserung und eine gute Nacht wünschte. Und mir sagte, dass er mich lieb hatte. Verdammter Lügner.
Ich löschte beide und verkoch mich wieder unter der Bettdecke. Es tat so weh. Ich glaubte, dass mein Herz jeden Moment in meiner Brust bersten würde. Leise klopfte jemand, aber ich tat, als ob ich nichts gehört hätte. Kurz darauf wurde die Tür geöffnet. Die Dielen knarrten unter den Schritten, die sich meinem Bett näherten. „Hey, Süße. Wie geht es dir?“, flüsterte Ryan. Allein seine Stimme zu hören versetzte mir einen Stich. Ich spürte, wie die Matratze ein Stück nachgab, als er sich neben mich setzte. Er schob die Decke ein Stück zurück und sah mich an. Ich wich seinem Blick aus, konnte ihm nicht in die Augen sehen.
„Du siehst schrecklich aus.“
„Danke für das Kompliment“, erwiderte ich matt. Bitte geh, flehte ich stumm. Ihn zu sehen verursachte noch mehr Schmerzen als erwartet.
„Soll ich dir einen Tee machen?“
„Nein, ich möchte einfach nur meine Ruhe.“
Ryan kniete sich neben mein Bett und streckte eine Hand nach mir aus. Eine Berührung von ihm wäre jetzt unerträglich, deshalb drehte ich mich weg.
„Bitte geh. Sonst stecke ich dich noch an“, flüsterte ich und kämpfte wieder mit den Tränen.
„Isa, was ist denn los? Brauchst du einen Arzt?“
„Nein. Ich brauche einfach meine Ruhe.“
„Hör zu. Ich muss kurz weg. Du kannst mich jederzeit auf dem Handy erreichen.“
Wollte oder konnte er es nicht verstehen? Das Einzige, das mir half, wäre, wenn er endlich gehen würde und das nachholte, was er vor drei Monaten schon hätte tun sollen: Aus meinem Leben verschwinden.
Als ich nichts mehr sagte, ging er schließlich aus dem Zimmer und verließ kurz darauf die Wohnung. Nachdem er weg war, schleppte ich mich ins Bad, zog mich an und trank eine Tasse Kaffee. Mein Gehirn lief auch Hochtouren. Vielleicht konnte ich im Internet etwas über die Straße in Erfahrung bringen, die auf dem Zettel mit den Telefonnummern notiert war. Ich ging in mein Zimmer und startete meinen Laptop. Ungeduldig wartete ich, bis das Gerät bereit war, und klickte auf das Internet Symbol. Ich tippte den Namen in die Suchleiste ein und wartete auf ein Ergebnis. Es gab hier in der Stadt tatsächlich die gesuchte Straße. Sie lag am Stadtrand in der Nähe eines Gewerbegebietes. Plötzlich kam mir eine Idee. Ryan hatte doch neulich meinen Laptop benutzt, um nach Jobangeboten zu suchen. Vielleicht fand ich im aufgezeichneten Verlauf etwas heraus. Mit zitternden Fingern bewegte ich die Maus, um mir den Verlauf anzeigen zu lassen, aber dieser war gelöscht worden und zeigte keinerlei Einträge an. Ich hatte sie nicht gelöscht. Markus konnte es nicht gewesen sein, also blieb nur Ryan übrig. Jemand anderes hatte keinen Zugriff auf meinen Computer gehabt. Wenn er nichts zu verheimlichen hatte, warum verwischte er dann seine Spuren im Internet? Meine Vermutung schien sich in traurige Gewissheit zu wandeln.
Mit Tränen in den Augen schaltete ich meinen Laptop aus und machte ich mich auf den Weg zum Bahnhof. Kalte Novemberluft schlug mir ins Gesicht, als ich auf die Straße trat. Alles wirkte grau und trist. Die Bäume hatten bereits ihre Blätter verloren und die wenigen, die sich noch an den Zweigen befanden, waren braun und verdorrt. Die Sonne hatte ich seit Miami nicht mehr zu sehen bekommen. An der Straßenlaterne, die vor unserem Haus stand, klebte ein Flyer der Werbung für eine Ü-30 Party machte. Ein Scherzkeks hatte mit einem dicken Filzstift „ Resteficken “ darauf gekritzelt. Normalerweise hätte mich das in schallendes Gelächter ausbrechen lassen, aber nicht einmal ein leichtes Schmunzeln konnte mir diese Schmiererei entlocken. Ich grub die Hände tief in meine Manteltaschen und ging los. Meine verweinten, geröteten Augen verbarg ich hinter einer Sonnenbrille. Ungeduldig
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