Bei Landung Liebe
wartete ich am Bahnsteig, auf den Zug der meinen Bruder endlich wieder nach Hause brachte. Mit einigen Minuten Verspätung rollte der Zug ein und ich versuchte, meinen Bruder unter den aussteigenden Zuggästen zu finden. Endlich erkannte ich ihn und lief ihm aufgeregt entgegen.
„Schwesterherz!“, rief er und wir umarmten uns innig.
„Schön, dass du wieder da bist“, murmelte ich an seiner Schulter und kämpfte erneut mit den Tränen.
„Warum denn die Sonnenbrille?“
Mein Bruder sah mich ernst an und ich verlor meine Fassung, um die ich mich schon den ganzen Morgen so bemüht hatte. Meine Unterlippe zitterte und die Tränen strömten über meine Wangen. Markus nahm mich in den Arm und hob seine Tasche auf. „Komm, wir suchen uns eine ruhige Ecke. Dann erzählst du mir, was passiert ist.“
Stumm nickte ich. Am Bahnhofskiosk kauften wir zwei große Becher Kaffee und gingen in den kleinen Park, der in der Nähe des Bahnhofs lag. Wir suchten uns eine Bank und setzten uns. Mit klammen Fingern umfasste ich den warmen Kaffeebecher und beobachtete den Dampf, der daraus nach oben stieg und sich schließlich in der kalten Luft auflöste.
„Es ist wegen Ryan“, begann ich mit belegter Stimme.
„Ich habe mich in ihn verliebt.“
„Und was ist mit ihm?“
Ich kramte in meinen Manteltaschen nach einem Taschentuch und wischte mir die Tränen aus den Augen.
„Ich dachte, dass er ähnlich für mich empfindet, aber gestern habe ich ihn mit einer anderen Frau gesehen.“
„Weiß er, dass du ihn gesehen hast?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Wo hast du die beiden gesehen?“
„Gestern war unser Abschiedsessen von der Praxis. Sie saßen im gleichen Restaurant an der Theke“, erklärte ich und griff erneut zu einem Taschentuch.
„Sie tranken Prosecco, sahen sich in die Augen, prosteten sich zu, lachten. Sie bezahlte, er half ihr in den Mantel.“
„Und dann?“
„Unter einem Vorwand verabschiedete ich mich von meinen Kolleginnen und folgte den beiden. Sie gingen zum Parkhaus, wo Ryan mit der Frau in einen dunklen Mercedes stieg und davon fuhr.“
Ein Mann mit einem weißen Hund näherte sich und musterte mich neugierig. Ich wartete, bis er endlich vorbeigegangen war, bevor ich weiter erzählte.
„Zuhause fand ich in seiner Tasche eine Menge Bargeld und einen Zettel mit drei Telefonnummern.“
„Wie viel Geld genau?“
„Ungefähr dreißigtausend Euro. Vielleicht auch mehr.“
Hilflos zuckte ich mit den Schultern.
„Markus, woher hat er so viel Geld?“
„Keine Ahnung Isa. Was ist mit seinem Job im Fitnessstudio?“
„Da ist er immer noch, aber er wollte sich etwas Neues suchen.“
Ich holte tief Luft und äußerte meine schlimmste Vermutung.
„Vielleicht hat er bei einer Begleitagentur als Callboy angefangen.“
Markus sah mich nachdenklich an.
„Das würde vermutlich das viele Geld erklären, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er zu so etwas fähig ist“, entgegnete er nach einer Weile.
„Was soll ich denn jetzt tun? Ich kann ihm unmöglich gegenübertreten.“
„Vielleicht brauchst du einfach etwas Abstand.“
„Aber wie? Ich will ihn nicht sehen.“
Mein Bruder überlegte einem Moment.
„Was hältst du davon, wenn du deine Tasche packst und für ein paar Tage zu Oma aufs Land fährst? Dort hast du Ruhe und ich versuche in der Zwischenzeit, etwas herauszufinden.“
„Aber ich kann dich doch nicht alleine lassen.“
„Mir geht es gut, Isa. Ich komme zurecht. Außerdem habe ich jemanden kennengelernt.“
„Ach ja?“
„Ihr Name ist Helena. Sie arbeitet als Intensivkrankenschwester in dem Krankenhaus in Berlin.“
Helena? War das nicht die nette Schwester, die Dienst hatte, als Ryan und ich meinen Bruder besuchten?
„Ich glaube ich weiß, wen du meinst.“
„Sie kommt mich besuchen, sobald sie ein paar Tage frei hat. Aber jetzt müssen wir erst einmal sehen, dass sich die Sache zwischen dir und Ryan klärt.“
„Ich kann nicht mit ihm reden. Ich weiß nicht einmal, was ich von der ganzen Sache halten soll.“
„Nimm dir eine Auszeit. Vielleicht finde ich etwas raus. Wenn er dich betrügt, bekommt er jedenfalls Ärger mit mir.“
Ich lächelte schwach und dachte über Markus’ Vorschlag nach. Vermutlich war es wirklich das Beste, wenn ich etwas Abstand hätte, um in Ruhe über alles nachzudenken.
„Oma freut sich über Besuch. Komm wir packen ein paar Sachen und du nimmst den nächsten Zug.“
„Okay.“
Wir riefen ein Taxi und ließen uns nach
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