Bei schlechten Noten helfen gute Eltern
später sagt er beim Abendessen: »Ich bin in vier Wochen mal wieder mit einem Vortrag dran. Diesmal kommt sogar unser neuer Direktor. Da will ich natürlich keinen schlechten Eindruck machen. Diesmal fang ich rechtzeitig mit der Vorbereitung an, und zwar schon morgen.«
Als er am nächsten Tag, einem heißen Sommerabend, nach Hause kommt, fällt ihm ein, dass es eigentlich im Garten noch allerhand zu tun gäbe – und er verschiebt seine Vorbereitung. Ähnlich am nächsten Tag. So vergeht Tag um Tag und der Termin rückt immer näher. Auf den letzten Drücker setzt er sich hin und arbeitet zwei Nächte durch. Am Morgen vor dem Vortrag ist er nervös und angespannt. Innere Zweifel, ob er auch wirklich gut vorbereitet ist, setzen ihm zu.
Wenn Kinder ihre Eltern beim Lernen beobachten, denken sie, dass Lernen das ist, was ihre Eltern beim Lernen tun.
Wenn Sie zu Hause lernen, dann beachten Sie, dass Sie damit Ihrem Kind demonstrieren, wie man lernt.
Natürlich ermahnt Herr Liebert seinen 14-Jährigen, ordentlich zu lernen, wenn der mal wieder keine Lust dazu hat. Aber welche Wirkung hat das auf Jesse? Unbewusst fragt der sich doch: »Warum muss ich eigentlich regelmäßig lernen, wenn Papa das auch nicht macht?«
Die beste Strategie bei schlechten Noten
Eine der wichtigsten Studien über die Bedeutung von Anstrengung und Lernen stammt von der amerikanischen Psychologin Shelley Taylor. Sie arbeitete mit Schülern, die ihre Lern- und Arbeitshaltung verbessern wollten. Dazu bildete sie drei Gruppen:
• Gruppe eins, die Visionengruppe, sollte sich jeden Tag fünf Minuten lang vorstellen, wie schön es sein wird, wenn sie ihre Vision, sehr gute Prüfungen zu schreiben, erreicht hat. Ihre Eltern und ihre Lehrer würden sich freuen, und sie könnten stolz auf sich sein.
• Mit den Schülern der zweiten Gruppe besprach sie zunächst, welche Hindernisse sie vom Lernen abhalten könnten, wie z.B. keine Lust zum Lernen, Frustration nach einer schlechten Note, eine interessante TV-Sendung oder im Internet surfen, Ärger mit der Freundin usw.
Dann besprach sie mit ihnen Fragen wie: »Du willst gerade mit Lernen anfangen, als dein Freund klingelt, um dich zum Spielen abzuholen. Wie reagierst du?« Oder: »Stell dir vor, dass du heute gar keine Lust zum Lernen hast, was dann?« Oder: »Stell dir vor, du sitzt an deinen Hausaufgaben. Jetzt kommt eine Aufgabe – du verstehst aber nicht, was du tun sollst, oder du meinst, dass du die Aufgabe nicht lösen kannst – wie reagierst du?« Natürlich mussten die Schüler selbst eigene Antworten auf diese Fragen suchen. Dabei sollten sie ihr Vorgehen so konkret wie möglich beschreiben. Taylor selbst gab keine Hinweise, was die Schüler tun könnten. Die Idee dahinter ist, dass die Schüler die von ihnen selbst gefundenen Lösungen eher umsetzen, als wenn ihnen Taylor gesagt hätte, was sie hätten tun sollen.
Schließlich führte sie mit diesen Schülern ein Vorstellungstraining durch. Das ist eine Art Mentaltraining, wie wir es vom Sport, zum Beispiel bei Skirennläufern, kennen. Diese »fahren ihr Rennen zunächst im Kopf«, also in ihrer Vorstellung und dann erst »in echt«. Dabei stellen sie sich exakt vor, wie sie alle auftretenden Passagen gekonnt meistern. Ähnlich trainierten die Schüler. Sie stellten sich »im Kopf« vor, wie sie eine schwierige Situation, in diesem Fall mit den Hausaufgaben anfangen oder dranbleiben, erfolgreich bewältigen. Oder, wie sie, obwohl sie keine Lust aufs Lernen haben, sich hinsetzen, ihr Hausaufgabenheft aufschlagen, durchsehen, was sie genau aufhaben, eine Liste der zu erledigenden Aufgaben erstellen, mit der leichtesten anfangen, und sich nach dieser ersten Aufgabe vielleicht kurz mit »das hab ich ja schon geschafft« selbst belohnen und so Schritt für Schritt an ihr Ziel gelangen.
• Die dritte Gruppe erhielt kein Training.
Natürlich schnitten die Schüler der zweiten Gruppe am besten ab. Sie waren sogar auf schlechte Noten vorbereitet. Ihre Strategie: »Bei schlechten Noten lerne ich einfach weiter.« Deshalb wurden sie besser.
Klagen Sie weniger über die Missstände von Schule, Lernen oder Lehrern. Sondern sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber, wie es diese Hindernisse überwindet.
Da konnten die Schüler der Visionengruppe nicht mehr mithalten. Nachdem sie die Realität in Form schlechter Noten bald eingeholt hatte, war ihr Lerneifer, wie ein Strohfeuer, bald erloschen. Frustriert gaben die meisten
Weitere Kostenlose Bücher