Bei Tag und Nacht
Eurem Befehl, das heißt Euren persönlichen Adjutanten, Major Josef Becker.«
Seine Mundwinkel hoben sich leicht. »Und jetzt glaubt Ihr, einen Beweis gefunden zu haben.« Er betrachtete das Papier auf seinem Schreibtisch.
»Diese Nachricht stammt von Becker. Sie beweist in der Tat, daß er der Mann ist, den wir gesucht haben.«
»Ach wirklich?« Er lüftete eine Braue. »Das ist ja recht erstaunlich.« Umgehend rief er zur Tür: »Corporal Dietrich!«
Die Tür öffnete sich sofort. »Jawohl, Herr General?«
»Verhaftet diese Frau. Bringt sie in den Lagerraum, und seht zu, daß sie sicher eingeschlossen ist.«
»Was!«
Der Corporal trat vor, und im nächsten Augenblick spürte sie seine Pistole zwischen den Rippen. Ein zweiter Soldat erschien an der Tür.
»Diese Frau hat dem Feind Geheimnisse zugetragen«, bellte Klammer. »Sie soll rund um die Uhr bewacht werden. Morgen früh wird sie wegen Hochverrats exekutiert.«
Elissas Kopf begann zu dröhnen. »Seid Ihr wahnsinnig! Ich bin keine Verräterin! Becker ist es!«
»Bringt sie hinaus.«
»Aber das ist doch lächerlich! Ich habe nichts getan!«
Die Pistole drückte fester. »Ihr kommt jetzt mit!« Die Stimme des Corporals zischte. Nach all diesen schrecklichen Kämpfen gab es wenig Sympathie für eine Spionin des Feindes.
Sie starrte den General an, begann zu verstehen. »Ihr arbeitet zusammen, stimmt’s? Allmächtiger Gott, darauf hätte ich kommen müssen!«
Der General ignorierte sie, und der Corporal schob sie zur Tür. Elissa stolperte in die Nacht hinaus. Sie brachten sie in einen steinernen Schuppen etwas abseits, öffneten die Tür und stießen sie hinein. Im Dunkeln stolperte sie über einen schweren Getreidesack, und der Länge nach fiel sie auf den gestampften Boden.
Ihr Herz pochte heftig, das Blut brauste in ihren Ohren. Völlig benommen vom Lauf der Ereignisse sah sie sich um, versuchte, ins reine zu kommen. An der einen Wand hing Pferdegeschirr, an der anderen lagen Getreidesäcke. Es gab keine Fenster. Das einzige Licht drang durch Ritzen zwischen dem Mauerwerk und unter der schweren Holztür hindurch.
Du große Güte, bei allen Schreckensszenen, die sie sich vorgestellt hatte, war diese Version nicht dabeigewesen: Klammer und Becker, alle beide Verräter! Warum hatte sie das nicht durchschaut? Dann setzte sie sich auf einen Sack und dachte, daß der Erzherzog selbst schließlich auch darauf hereingefallen war. Auch diesen widerwärtigen Steigler hatte sie zu Unrecht verdächtigt - denn Klammer galt als einer der loyalsten Offiziere. Nur weil Adrian darauf bestanden hatte, hatte man ihn nicht eingeweiht.
Aber vielleicht war Klammer ja doch im Bilde gewesen. Er könnte derjenige sein, der auf Adrian schießen ließ. Es schauderte sie. So mußte es sein. Und sie hatte Anweisung gegeben, daß Adrian ihr folgen sollte. Am Ende war er schon unterwegs -unvorbereitet und genauso ahnungslos wie sie. Um Gottes willen, vielleicht würden sie ihn umbringen!
Elissa stand auf, die Fäuste geballt. Sie wünschte, sie könnte eine Botschaft aussenden, Adrian irgendwie warnen. Oder er würde gar nicht kommen. Wenn er ihre Nachricht nicht erhielt ...
In diesem Fall müßte sie sicher am nächsten Morgen sterben.
Aber er könnte auch Hilfe holen, dachte sie wild. Ja .. .darauf mußte sie hoffen. Es wäre die einzige Chance, Klammer zu entkommen. Elissa kniete sich auf den Lehmboden und begann zu beten.
Adrian schwang sich auf Minotauros’ Rücken und entfernte sich vom Lazarett. Er war gekommen, um Elissa zu sagen, daß er sie liebte und sie um Verzeihung zu bitten. Darüber hinaus wollte er um ihre Hand anhalten. Statt dessen war ihm Nina begegnet, und jetzt strömte eisige Angst durch seine Adern.
Sie war Becker auf den Fersen. Himmel, sie würde ihm doch hoffentlich nicht allein gegenübertreten! Wahrscheinlich würde sie zu Klammer oder einem seiner höheren Offiziere gehen. Doch selbst das könnte gefährlich sein. Man wußte schließlich keineswegs, wer noch in der Sache mit drinsteckte.
Eilig galoppierte Adrian zu Klammers Hauptquartier. Dort sprach er kurz mit einem aufragenden Wächter und folgte dem Mann in das Bauernhaus. Der General saß hinter seinem provisorischen Schreibtisch und sortierte einen Stapel Papiere. Nun erhob er sich mit einem selbstbewußten Lächeln auf den Lippen - und Joseph Becker stand neben ihm.
Eine Warnglocke schrillte in seinem Innern, aber die Sorge um Elissa war stärker. »Ich suche nach einer Frau.
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