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Bei Tag und Nacht

Titel: Bei Tag und Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Martin
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rannte fast, wandte sich noch einmal kurz um, als wäre sie plötzlich in Gefahr. Vorübergehend hatte ihre Wachsamkeit nachgelassen, doch jetzt war die Vorsicht wiederhergestellt.
    Adrian wandte sich dem breiten Rasenstück zu, und seine Gedanken kehrten zu dem Bild der Unschuld zurück, das sie dort beim Ballspiel mit den Kindern geboten hatte. Ihm kam der Gedanke, daß er sie womöglich um so leichter in sein Bett locken könnte, je weniger er sie umwarb. Nach dem heutigen Tag hatte diese Vorstellung mehr Reiz denn je.
    Die Sommerfrische Baden lag am südlichen Rand des Wienerwaldes, einer Landschaft mit sanften, dicht bewaldeten Hügeln, die sich bis zu den Alpen erstreckten. Jamison hielt Baden für eine reizende kleine Stadt. Sie gruppierte sich rings um die fünfzehn natürlichen heißen Quellen, besaß malerische Gassen mit Kopfsteinpflaster und dreistöckige Barockgebäude in Pastellfarben.
    Auf der Fahrt durch den Ort genoß Jamison das Singen spielender Kinder, die Rufe von Straßenverkäufern, und lehnte sich genüßlich in den gepolsterten Ledersitz, ihm gegenüber sein Freund Adrian Kingsland. Sie waren, wie häufig, auf dem Weg zu einer Unterredung in der Villa des Kaisers, wovon Jamison nicht viel hielt: Auch heute würde wieder die Hauptsache Rhetorik und kaum ein neues Ergebnis zu erwarten sein.
    Am vergangenen Abend hatten sie stundenlang über den Krieg und eine österreichisch-britische Allianz debattiert -doch im Augenblick ging es um etwas anderes.
    Jamison sah zu seinem Freund hinüber. »Sie will dich also immer noch nicht treffen?«
    Wolvermont lächelte düster, den Blick auf einen ungewissen Punkt an der Kutschenwand gerichtet. »Ja, so ist es. Die Dame scheint wenig Schwierigkeiten zu haben, meinem beträchtlichen Charme zu widerstehen.«
    Jamison lachte leise. »Nicht verzweifeln, mein Freund. Mylady fühlt sich offensichtlich von dir angezogen. In deiner Nähe scheint ihre Fassung stets etwas zu wanken.«
    Der Colonel grunzte. »Ich scheine allerdings eine solche Wirkung auf sie zu haben. Doch zu meinem Leidwesen verunsichere ich ihre Fassung immer noch entschieden zu wenig.« Adrian seufzte. »Leider bin ich ihr völlig verfallen. Sie ist lebhaft und charmant und sicher auch sehr intelligent - aber da ist noch etwas anderes.«
    »Vielleicht ist es ihre Schönheit. Du verehrst doch seit jeher schöne Frauen ...«
    Adrian schüttelte den Kopf. »Sie hat etwas an sich . .. das ich irgendwie nicht fassen kann. Meistens scheint sie genau das zu sein, was sie ist: eine versierte, weltgewandte junge Witwe, wohlerzogen und völlig beherrscht. Und bei anderen Gelegen-heiten würde ich schwören, das junge Mädchen ist noch unschuldig.«
    »Unschuldig! Also wirklich, Adrian, die Hälfte des Wiener Adels ist scharf auf sie. Pettigru hat den Kopf verloren. Steigler scheint genauso fasziniert. Ein Unschuldslamm würde sich ja wohl kaum solche Herren aussuchen, mein Freund.«
    »Stimmt.« Er spielte mit der goldenen Kordel an seinem Uniformärmel, doch sein Blick blieb auf die Kutschenwand gerichtet. »Ich frage mich, ob die Dame sich im klaren ist über die Gefahr, in die sie sich bei Steigler begibt? Du weißt, was er für ein Mann ist, welche Art von Freuden ihm liegen. Zartbesaitete oder empfindsame Menschen befinden sich bestimmt nicht auf dieser Linie.«
    Jamison runzelte die Stirn und dachte daran, wie recht sein Freund hatte. Mit Männern wie dem General scherzte man nicht, begann nicht einmal einen harmlosen Flirt. »Eigentlich habe ich noch keine klare Meinung von der Dame. Sie ist natürlich überaus liebreizend, und es gibt Gelegenheiten, ganz wie du sagst, wo sie umwerfend charmant wirkt. Bei anderen Gelegenheiten finde ich ihr Verhalten jedoch theatralisch und leicht übertrieben.« Er grinste. »Andererseits habe ich ihre ... Tugenden auch noch nicht so genau erkundet wie du.«
    »Nein, nicht einmal annähernd so genau, wie ich sie in baldiger Zukunft zu erkunden gedenke.« Wolvermont starrte jetzt aus dem Fenster, weil draußen die Würstchenverkäufer lauthals ihre Ware anpriesen. »Auf jeden Fall ist das Mädchen das Ungewöhnlichste, was mir in letzter Zeit über den Weg gelaufen ist. Ich muß sie unbedingt betören, und das wird mir auch gelingen.«
    Jamison sagte nichts mehr. Er kannte den entschlossenen Ausdruck, der nun auf den gebräunten Zügen seines Freundes lag. Früher oder später würde Adrian bekommen, was er wollte. Auf die eine oder andere Weise würde die Gräfin

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