Bei Tag und Nacht
Ball.
Der Gräfin war das wohl aufgefallen, denn sie sah zu Adrian hinüber. Ihr denkt doch wohl nicht daran, mit den Kindern zu spielen? Als Antwort bückte er sich wiederum nach dem Ball.
»Ich glaube, ich werfe ihn diesmal etwas weiter als die Gräfin«, sagte er zu dem Jungen. »Was meinst du, Wilhelm, wirst du ihn dann noch erwischen?«
»O ja, Herr Baron!« Und noch bevor Adrian etwas unternahm, begann der Kleine schon zu rennen, mit einer Miene, aus der reinste Begeisterung strahlte. Er verfehlte den ersten Wurf und lief hinter dem Ball her, dann kam er zurück und schoß ihn mit aller Kraft dem Colonel zu.
»Noch ein Versuch!« Adrian warf den Ball in einem höheren Bogen, so daß er genau in den Armen des Jungen landete. Wilhelms erfreutes Quietschen entlockte dem zart geröteten Gesicht der Gräfin abermals ein Lächeln und bereitete ihm selbst erhebliches Vergnügen.
Willi warf den Ball wieder zu Adrian, und dann flog er zwischen den vieren eine Weile lang im Kreis herum. Schließlich beendete die Gouvernante das Spiel, indem sie erklärte, es wäre Zeit für den Mittagsschlaf.
»Aber ich bin nicht müde«, maulte Willi. »Ich will dableiben und spielen.«
»Geh lieber«, sagte Adrian sanft. »Weißt du, die Frau Gräfin könnte auch einen Mittagsschlaf vertragen, und ich muß noch zu einer Versammlung. Lauf jetzt und folge brav deiner Gouvernante. Irgendwann scheint die Sonne einmal wieder und dann machen wir weiter.«
»Ganz wirklich?« fragte Hilda lispelnd.
Adrian lächelte. »Mein feierliches Ehrenwort!«
»Dann komm«, sagte der kleine Junge und nahm seine Schwester bei der Hand. »Der Colonel spielt bestimmt noch mal mit uns. Ein Soldat hält immer sein Wort!«
Er sah zu, wie die beiden zum Haus rannten, so daß er allein mit der Gräfin zurückblieb.
»Stimmt das, Colonel?« vergewisserte sie sich, als sie auf die Terrasse zuschritten. »Bricht ein Soldat nie sein Wort?«
»Dieser hier nicht.«
Sie wandte den Blick ab und betrachtete ihre rosafarbenen Satinschuhe. Er lächelte angesichts der Grasflecken, die jetzt die glänzenden Spitzen verunzierten.
»Ihr mögt Kinder«, stellte sie fest. »Und könnt auch wirklich mit ihnen umgehen.«
»Überrascht Euch das?«
»Irgendwie schon.«
»Weil ich selbst keine habe?«
»Botschafter Pettigru sagte mir, Ihr wäret unverheiratet. Daraus habe ich geschlossen, daß Ihr keine habt.«
»Genau wie Ihr, wie ich hörte.«
»Ja. Aber eines Tages möchte ich gern mal welche.«
Er betrachtete ihr Gesicht und dachte, daß er von ihr eine solche Bemerkung nicht erwartet hätte. Aber genaugenommen wäre er auch nicht auf die Idee gekommen, daß sie wie ein Kind in der Sonne Ball spielen könnte.
Der gnädige Herr zuckte die Schultern. »Es ist leicht, nett zu Kindern zu sein. Man behandelt sie einfach so, wie man selbst gern in diesem Alter behandelt worden wäre.«
Sie betrachtete ihn nachdenklich, suchte in seinem Gesicht nach den Dingen, die ungesagt blieben. Er war verstimmt. Seine traurige Kindheit ging sie nichts an.
»Als Baron ist es ja auch Eure Pflicht, einen Erben zu zeugen«, sagte sie nun. »Es überrascht mich, daß Ihr noch keine eigene Familie gegründet habt.«
Adrian schnaubte. »Meinen Titel habe ich eher zufällig geerbt. Er bedeutet mir nichts, und nach mir mag mit ihm geschehen, was will. Mein Leben war immer das Militär. Und mehr erstrebe ich nicht.«
Sie schwieg eine Weile, als beschäftigten seine Worte sie einigermaßen, dann befand sie: »Es ist Zeit, hineinzugehen.« Sie stiegen nebeneinander die Stufen zur Terrasse hinauf, und Adrian begleitete sie zu den hohen, geschnitzten Hintertüren der Villa. Als sie stehenblieb, berührten ihre Körper einander beinah, und der Rock ihres rosa Musselinkleides streifte seine schwarzen Stiefel.
Der Anblick schien sie irgendwie zu beunruhigen ... aber vielleicht kam das auch nur daher, daß er so nah bei ihr stand. »Ich - ich muß ...« Sie richtete sich etwas auf, und ihr Verhalten wurde kühler. »Wie ich schon sagte, Mylord, für mich wird es Zeit. Die Kinder haben mich doch ziemlich erschöpft. Ich brauche dringend ein Bad und etwas Ruhe vor dem Abendessen.«
»Natürlich.« Er lächelte, machte aber keine Anstalten, sich zu bewegen. »Ich habe diesen Nachmittag sehr genossen, Mylady. Ihr doch auch?« Er beugte sich über ihre Hand und streifte ihre Finger mit den Lippen.
»Ja, ich...« Sie wandte den Blick ab. »Guten Tag, Mylord Colonel.« Sie eilte zur Tür,
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