Bei Tag und Nacht
bewaldeten Hügeln umgeben war, und die Männer schlugen ein provisorisches Lager auf. Elissa ging hinüber zu dem Platz, wo Knechte die Pferde angebunden hatten, wanderte an ihrer Reihe entlang und bewunderte ein schönes Tier nach dem anderen, bis sie schließlich vor dem eindrucksvollen Rappen des Colonels stehenblieb.
»So ein hübscher Junge«, säuselte sie und streichelte die samtigen Nüstern des Tiers. »Und ich wette, du kannst laufen wie der Wind.« Pferde hatte sie immer schon geliebt, hatte das Glück gehabt, ganz in der Nähe eines reichen Edelmannes zu leben, der der gleichen Leidenschaft frönte und ihr seine rassigen Pferde überließ, wann immer sie wollte.
Der Gaul wieherte leise und drückte seine Nase in ihre Hand.
»Du bist wirklich ein Schöner. Dein Colonel hat wohl ein gutes Auge für Pferde.«
»Ja, das hat er«, bestätigte ein schwarzhaariger Offizier, der gerade hinter einem Busch hervortrat: Major St. Giles, das wußte sie, denn sie war ihm schon ein paarmal begegnet. »Ein genauso geübtes Auge für Pferde wie für schöne Frauen.«
Elissa senkte den Blick und wurde etwas rot, denn sie wußte, daß der Major und der Colonel Freunde waren, und fragte sich, ob er wohl von jener nächtlichen Verwechslung wußte.
Sie strich mit der Hand über den glänzenden Hals und spürte die Wärme der Sonne, die das schwarze Fell des Tiers aufgenommen hatte. »Ihr kennt ihn wohl sehr gut?«
Ihr lächelndes Gegenüber war ein großer Mann, schlanker als der Colonel, mit anziehenden, intelligenten Zügen und natürlicher Selbstsicherheit. Er schien von sanfterer, weniger flüchtiger Art als der Baron.
»Der Colonel und ich sind seit unserer Kindheit befreundet.«
»Respekt, Major, wenn man bedenkt, welcher Anstrengung es bedarf, ständig mit einem so schwierigen Menschen umzugehen.«
»Schwierig? Ja, gelegentlich. Meistens eher stur und arrogant, vielleicht auch ein wenig herrisch. Aber das wird aufgewogen durch seinen Mut, seine Treue gegenüber Schutzbefohlenen, sein unbefehlbares Pflichtgefühl, und es gibt keinen besseren Freund.«
Bei diesen Worten schmolz etwas in ihrem Innern dahin. Sie hatte diese Qualitäten schon an ihm gespürt, sich jene Wahrnehmung aber ausgeredet, sondern nur seine Arroganz gelten lassen und die Entschlossenheit, seinen Willen durchzusetzen.
»Und Ihr kennt ihn schon lange?«
Er nickte. »Wir waren zusammen im Internat, und bei unserer ersten Begegnung erst fünf Jahre alt.«
»Fünf Jahre! Aber mit fünf ist man doch viel zu klein, um von zu Hause fortgeschickt zu werden.«
Die Züge des Majors verhärteten sich. »Unsere Eltern hielten es für richtig. In meinem Fall bin ich sicher, daß es ihnen später leid getan hat - bei Adrians Familie nicht... es paßte ihnen ins Konzept, daß er fort war. Ihr müßt wissen, daß er als zweiter Sohn nicht erben würde - wobei seine Familie ihn dessen auch nicht für wert erachtete. Schließlich erhielt er den Titel Wolvermont über einen entfernten Vetter.«
Sie streichelte die Nase des Pferdes und dachte daran, was für ein einsames Kind er wohl gewesen sein mußte. »Ich hatte da mehr Glück als Euereins. Meine Eltern beteten meine Brüder und mich an. Wir hatten nicht viel Geld, aber an Liebe hat es uns niemals gemangelt.«
Er räusperte sich. »Dann seid Ihr uns gegenüber tatsächlich im Vorteil. Bedenkt das, wenn Ihr wieder einmal in Versuchung geratet, den Colonel zu beurteilen.«
Das Pferd hob die Ohren, und Elissa kraulte sie sanft. »Ich weiß Eure Ehrlichkeit zu schätzen, Major, obwohl es mich überrascht, daß Ihr mir das alles anvertraut.«
St. Giles zuckte mit den Schultern. »Vielleicht hätte ich es nicht tun sollen, aber so gleichgültig Ihr Euch auch geben mögt, seid Ihr wahrscheinlich doch an ihm interessiert. Sollte dieses Interesse zunehmen, wäre es sicher hilfreich, wenn Ihr ihn richtig versteht. Das tun nämlich wenige Menschen.«
Einen Moment lang schwieg sie, dachte wieder zurück an die Worte des Colonels, als sie mit den Kindern gespielt hatten. Es ist leicht, nett zu Kindern zu sein. Man behandelt sie einfach so, wie man selbst gern in diesem Alter behandelt worden wäre.
»Danke für die Aufklärung, Major. Ich werde sie im Gedächtnis behalten, obwohl ich bezweifle, daß wir je über eine Freundschaft hinausgelangen.«
Der Major nickte und schaute sich forschend um. »Ich glaube, die Männer sind dabei, zur Jagd aufzubrechen. Hoffentlich werdet Ihr und die anderen Damen Euch bis
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