Bei Tag und Nacht
würde ich recht gern ein Glas Sherry trinken, bevor ich mich zurückziehe. Vielleicht möchtet Ihr Euren Cognac auffüllen, Sir William, und wir setzen uns zusammen an den Kamin im kleinen Salon.«
Er hob eine buschige Braue. »Ausgezeichnet, meine Liebe. Wirklich hervorragend!« Er stapfte mit ihr zurück über die Terrasse, machte einen Bediensteten ausfindig und bestellte einen Sherry für sie und einen Cognac für sich selbst. Sie nahmen die Getränke mit in den kleinen Salon, den bisher nur ganz wenige Gäste entdeckt zu haben schienen, und setzten sich zusammen auf das pflaumenfarbene Sofa.
Doch erst nach ein paar weiteren Cognacs, als der Botschafter förmlich zu lallen begannen und darüber jammerte, daß seine Frau und seine Tochter nicht in der Nähe waren, begann Elissa, seine Staatstreue zu hinterfragen, in der Hoffnung, auf ein aufschlußreiches Bekenntnis.
»Es muß wirklich schwer sein«, begann sie also, »ein so wichtiges Bündnis auszuhandeln.«
»Verdammter Krieg ...«, murmelte er, und sein Kopf kippte nach vorn über sein halbleeres Glas. »Is’ nich’ gut... nich’ gut.«
»Nein, wirklich nicht, Sir William! Ich würde sogar sagen, daß er die Österreicher teuer zu stehen kommen kann, wenn Napoleon direkt an ihre Tür klopft. Und vielleicht wird unsere Einmischung alles nur noch schlimmer machen. Sollten wir sie nicht besser in Ruhe lassen?«
»Sie brauch’n unser Geld, Tatsache! D’ Erzherzog will ’ne Armee aufstellen. Franzosen ... die Franzos’n woll’n das nich’. Sie wer’n versuch’n, ihn dran zu hin’ern. Alles wer’n se tun .. . alles, damit das nich’ klappt.«
»Das kann ich mir vorstellen. Bonaparte würde sicher ein Vermögen für Informationen bezahlen, aufgrund derer er Österreich dann besiegt.«
»’n Vermögen . .. ja.«
»Dabei könnten manche Männer bestimmt reich werden.«
Schwere Stiefel knarzten, ein Mann beugte sich vor und nahm das Glas aus den beinah kraftlosen Händen des Botschafters. »Oder manche Frauen«, flüsterte der Colonel.
Seine Miene blieb ausdruckslos, aber er furchte mißbilligend die Stirn angesichts des Zustands, in den sie den Botschafter hatte geraten lassen.
»Ich glaube, Sir William, die Dame möchte sich jetzt zurückziehen«, ordnete er mit einem harten Blick in ihre Richtung an. »Vielleicht würdet Ihr ihrem Beispiel gern folgen?«
Der Botschafter riß sich zusammen. »Ja. Ja natürlich. S’ is’ schon längs’ Zeit zu schlaf’n. Pettigru warf ihr ein schiefes Lächeln zu. »... tschuldigt mich bitte, mein Liebe .. .«
»Ja, natürlich. Ich - ich hatte gar nicht bemerkt, daß es schon so spät ist.« Sir William stand schwankend auf, und sie gab sich reuevoll. »Würdet Ihr so freundlich sein, Mylord?«
Adrian nickte knapp. »Selbstverständlich bringe ich den Botschafter in sein Quartier.« Er betrachtete sie eindringlich, besonders die Art, wie die Röte in ihre Wangen stieg, und sie fragte sich, ob er sie wohl so gründlich durchschaute, wie es den Anschein hatte. »Gute Nacht, Mylady.«
»Danke, gleichfalls!« Sie sah zu, wie er sich mit Sir William hinauskämpfte, ihn mit sanfter Gewalt aus dem Salon und zur Treppe dirigierte, um den Mann etwaige Peinlichkeiten zu ersparen.
Sie hoffte, daß er nicht erraten hatte, worauf sie hinauswollte.
Aber selbst wenn, und so schuldig sie sich auch fühlte - nötigenfalls würde sie es genau so wieder machen, das wußte sie.
Ob es dem Colonel gefiel oder nicht, sie mußte herausfinden, ob Sir William der Falke war, koste es, was es wolle.
Am folgenden Tag barst Blauenhaus vor Geschäftigkeit, denn eine Jagdgesellschaft wurde vorbereitet. Es gab Rehe und Hirsche in der Gegend, aber auch Wildschweine und Rebhühner. General Steigler überzeugte die Herzogin davon, daß begeisterte Reiterinnen auch mitkommen sollten, und den Gästen wurden Pferde zur Verfügung gestellt.
Da Elissa immer schon gern geritten war, nahm sie mit großem Vergnügen teil - auf einer feingliedrigen, grauen Apfelschimmelstute, während der General seinen eigenen weißen Paradehengst ritt. Elissa fand, das prächtigste der Tiere war der große schwarze Hengst von Colonel Kingsland; vielleicht war er überhaupt das schönste Exemplar, das sie je gesehen hatte.
Sie ritten den ganzen Morgen über waldige Höhen und offene Wiesen, und die Damen hielten immer wieder an, während die Herren sich auf die Suche nach dem Wild machten. Kurz vor der Mittagszeit kamen sie in ein kleines Tal, das von
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