Bei Tag und Nacht
Baden.«
Adrian nickte. »Genau.«
»Und die Gräfin? Kehrt sie auch nach Wien zurück?«
Adrians Miene verdüsterte sich. Er wußte immer noch nichts über sie, nur daß sie log und vielleicht eine Spionin war. Dennoch spannte sein Körper sich an, wenn er nur an sie dachte. Er wollte in ihr sein, wollte am liebsten nach Blauenhaus zurückkehren und sie in seine Arme reißen. Natürlich kam das so spät am Abend nicht in Frage; doch sobald sich alle in Wien befänden, würde er sie wieder aufsuchen. Der Gedanke kam ihm, daß er sie mit Freuden als feste Geliebte nähme, zumindest für die kurze Zeit, die ihm noch im Lande verblieb. Dann hätte er sie besser im Auge und Mahler vielleicht bald ihre Identität gelüftet.
»Ich nehme an, die Gräfin wird mit der Herzogin in die Stadt zurückkehren«, erklärte er dann. »Sie hat nichts davon gesagt, daß sie nach England zurück will, obwohl das zweifellos eine sehr gute Idee wäre.«
»Auf jeden Fall wäre es das Sicherste!« Jamie lächelte. »Aber ich schätze, du wirst nicht allzu laut protestieren, wenn sie bleibt. Dir kommt das doch entgegen.«
Adrian brummte. »Allerdings!« Er war froh, daß sein Freund nichts von ihrer Jungfernschaft wußte. Jamie, der Ehrenmann! Auch Adrians Ehre hatte eine ganz klare Grenze, jenseits der er sich eindeutig befunden hatte, als er sich diese kleine Betrügerin Elissa vorknöpfte.
Der Colonel kümmerte sich nicht um die spöttische Stimme in seinem Inneren, die behauptete, er hätte mit ihr geschlafen, egal, wer sie war - sie in jedem Fall irgendwie in sein Bett bekommen. Verrückterweise drängte sich jetzt, wenn er mit schweren Lenden an sie dachte, das Gefühl auf, Elissa wäre diejenige, die ihn am Gängelband hatte.
Der Kaiser und die Kaiserin verließen Baden zwei Tage später, und ein steter Strom von Diplomaten, Militärchefs und Höflingen folgte ihnen. Franz I. kehrte in sein Schloß Schönbrunn zurück, wo auch viele der wichtigeren Berater und Militärs untergebracht würden. Andere, so wie Adrian, bezogen wieder ihre Privatquartiere in Wien, in seinem Falle ein Haus in der Naglerstraße nahe der römischen Stadtmauer, das er mit Jamie teilte.
Dieses Palais stammte aus dem fünfzehnten Jahrhundert, war um 1700 mit einer klassischen Fassade ausgestattet worden und einige Zeit später mit einem bunten Relief der Jungfrau Maria. Im Inneren herrschte Eleganz, es gab zwei große, private Wohnräume für jeden von ihnen im ersten Stock, mehrere Salons mit Marmorböden, eine Bibliothek samt Arbeitszimmer und eine ganze Reihe von Bediensteten, die sich um sie kümmerten. Adrian kam gerne hierher zurück, wo er sich zu Hause fühlte, obwohl er seltsamerweise die Spannung von Blauenhaus vermißte.
Oder vermißte er eher die hitzigen Begegnungen mit Elissa?
Er wußte, daß sie bei der Herzogin auch in der Stadt wohnte und er ihr bald begegnen würde. Trotz aller Gerüchte über den drohenden Krieg verhielt sich die Gesellschaft erstaunlich gelassen. Adrian fand eine Einladung zu einem musikalischen Abend beim Herzog von Webern vor sowie einen ganzen Stapel anderer Korrespondenz, die beantwortet werden mußte.
Weil er noch vergeblich versucht hatte, mehr über den möglichen Spion herauszufinden, war er erst ein paar Tage später in der Hauptstadt eingetroffen. Auch in dem besagten Wirtshaus brachte er nichts weiter in Erfahrung. Langsam nahm er an, daß der Übeltäter wohl doch nicht in Baden gewesen war.
Aber hier konnten ihm auch, ebenso wie bei Elissa, seine Wunschvorstellungen etwas vorgaukeln.
In jedem Fall würde er sie höchstwahrscheinlich beim musikalischen Abend treffen. Er fragte sich, ob sie sich seine War-
nung in bezug auf Steigler zu Herzen genommen hatte, aber irgendwie mochte er das nicht recht glauben.
Unbewußt ballte er die Hände zu Fäusten.
12
Elissa stand im Garten. Nur eine dünne Mondsichel erhellte den Himmel über den Türmen von Wien. In ihrem weißen Satinkleid besetzt mit silbernem Tüll hob sich die schlanke Gestalt vor der Schwärze der Nacht deutlich ab, und sie wünschte im stillen, sie hätte eine unauffälligere Farbe gewählt.
Andererseits hatte sie auch nicht damit gerechnet, daß sie hier im Dunkeln herumkriechen, sich im Gebüsch verstecken und das Ohr ans Fenster drücken müßte, um wenigstens ein bißchen von dem Gespräch der beiden Männer im Raum, Major Holdorf und General Steigler, aufzuschnappen.
Seit ihrer Rückkehr nach Wien hatte sie sich nur kurz mit dem
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