Bei Tag und Nacht
heute abend zu sich rufen würde, und ein Kribbeln der Erwartung wallte in ihr auf. Es war ganz und gar unmöglich, und doch konnte sie nicht verhindern, daß ihr Herz zu rasen begann.
Pettigru saß rechts neben ihr und schlürfte seine Suppe. Dann wandte er sich ihr zu. »Ich freue mich, Euch einmal wiederzusehen, meine Liebe. Wahrscheinlich hat die Legion Eurer Bewunderer Euch so beschäftigt, daß ein alter Hase wie ich mittlerweile überflüssig ist.«
»So alt seid Ihr nun auch wieder nicht, Sir William.« Sie zwinkerte ihm zu. »Aber wir könnten mein Versäumnis wiedergutmachen, indem wir nach dem Essen eine Partie Schach miteinander spielen.« Es war ihr schon die Idee gekommen, ihn über Steigler auszufragen und so seine Ergebenheit zu nutzen.
»Das klingt hervorragend!« Pettigru strahlte und widmete sich mit erneutem Eifer seiner Suppe.
Bis zum Ende der Mahlzeit unterhielten sie sich angenehm, und sie bemühte sich, nicht auf Adrians gerunzelte Stirn zu achten. Es fiel ihr allerdings weniger leicht, Lady Ellens offensichtliches Interesse an ihm zu ignorieren, besonders, als er sich ihr zuwandte und ihr sein umwerfendes Lächeln schenkte.
Elissa wandte den Blick ab, als der unbestreitbare Dolch der Eifersucht sie durchbohrte. Sie wußte, wie attraktiv der Colonel war und daß eine Menge Frauen ihn umschwärmten. Doch bis zum heutigen Abend hatte er sie nie beachtet.
Glücklicherweise war das Essen fast zu Ende. Die Herren zogen sich auf eine Zigarre und einen Cognac in den grünen Salon zurück; so hatte Elissa Zeit, sich zu erfrischen und ihre Fassung zurückzugewinnen.
Eine Stunde später setzte sie sich mit Sir William in die
Bibliothek, wo das Schachbrett schon aufgestellt war; gemütlich saßen sie bei ihrem Spiel am Feuer, und Adrian wurde nicht erwähnt.
Sie sprachen kurz über den Krieg, und der Botschafter klang fast fröhlich, als er sagte: »Dieses Bündnis könnte eine Wende bringen! Und wir brauchen dringend eine österreichische Offensive. Das Land besitzt wichtige Pässe über die Alpen, und seine Flüsse sind wesentliche Transportwege. Napoleon will sie kontrollieren, und das müssen wir ihm vereiteln.«
Elissa schob einen Bauern zwei Felder weiter. »Erzherzog Karl scheint in der Tat zum Krieg bereit zu sein.«
»Der gute alte Charlie!« Sir William kicherte und schob ebenfalls einen Bauern aus Holz weiter. »Er wird sich Mühe geben, und wir tun unser Bestes zu seiner Unterstützung.«
Jetzt schickte Elissa ihren elfenbeinernen Läufer über das Brett. »General Steigler scheint ebenfalls den Krieg kaum erwarten zu können.«
Der Botschafter knurrte. »Steigler ist ein Fanatiker - der sogar dann kämpfen würde, wenn nicht die geringste Chance auf Sieg bestünde.«
Sie hob eine Augenbraue angesichts des Tons, den der Botschafter angeschlagen hatte. »Höre ich da so etwas wie eine gewisse Antipathie?«
Er wandte sich von dem Spielbrett zu ihr. »General Steigler steht auf der Seite eines Landes, das bald unser Verbündeter sein wird. Da kann ich meine Gefühle ihm gegenüber kaum frei äußern. Da Ihr mich gefragt habt und wir beide Freunde sind, sage ich bloß, daß ich den Mann wenig schätze.« Nachdenklich betrachtete er sie. »Ich würde Euch raten, Mylady, Eure Beziehung zu dem General sehr genau zu überdenken.«
Die Gräfin konzentrierte sich wieder auf das Brett. Sie bewegte ihren Springer zwei Felder nach oben und eines nach rechts. »Ich habe gehört, daß er vor ungefähr vier Jahren fast das gesamte Land seiner Familie verloren hat.« Das hatte sie von
Major Holdorfs Frau am vergangenen Morgen beim Kaffee auf der Terrasse mitbekommen.
Pettigru nickte. »Während Steigler im Krieg war, schaffte es sein Vater obendrein, den Rest des Besitzes zu verspielen. Glücklicherweise hat er einen sehr hohen Rang inne und wird gut genug bezahlt, um sich eines Tages bequem zur Ruhe setzen zu können.« Er zog seine Königin über das Feld und schlug ihren Läufer. Beim nächsten Zug nahm sein Turm ihre Königin. Mit gerunzelten Brauen betrachtete er sie eingehend.
»Ihr paßt heute abend nicht auf, Elissa. Sonst spielt Ihr immer viel besser.« Warnend hob er einen Finger. »Vielleicht sollten wir das Thema wechseln.«
»Ja ... ja, natürlich.« Sie zwang sich zu lächeln. »Erzählt mir mehr von Eurer Frau, Sir William. Habt Ihr in letzter Zeit von ihr gehört? Wie geht es ihr?«
Liebevoll schilderte er ihr deren letzten Brief. Elissa lächelte und nickte, dachte dabei
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