Bei Tränen Mord: Roman (German Edition)
unmöglichen Notizblock her und schnapp dir deinen
Laptop.«
Er las ihr
vor, was er über den Unfall von Harko Schaaf bisher geschrieben hatte. Ellen lachte.
»Das ist ja wirklich ein abgefahrener Tod. Die arme Frau. Und außer ihr hat niemand
einen Menschen mit Sweatshirt gesehen?«
»Nein. Niemand.«
Frank dachte eine Sekunde an Lucy.
»Der Bericht
ist so gut wie fertig, oder?«
»Ja, im
Prinzip schon.«
Ellen blätterte
in dem Block herum. »Wer ist denn Rupert Kunze?«
»Das ist
ein neuer Fall, der aber weitestgehend schon abgeschlossen ist. Ich glaube, den
Bericht brauche ich nicht mal zu schreiben, das machen die Kollegen von der Streife.
Die waren als Erste vor Ort. Ich bin da sowieso nur aufgekreuzt, weil …« Er hielt
inne.
»Und wer
ist Lucy?« Sie hielt ihm die vollgekritzelte Seite unter die Nase. »Was hast du
denn da gemacht?«
Verlegen
wollte er den Block an sich nehmen, doch sie zog ihn weg. »Sag mal, entdecke ich
da Frühlingsgefühle? Gefällt sie dir?«
»Ääh …«,
druckste er herum.
»Gib es
zu, die Frau gefällt dir. Ist sie eine Tatverdächtige?« Sie blätterte zurück. ›Callcenter‹,
buchstabierte sie. ›Nummer überprüfen … Lucinda Schober.‹ Sie sah wieder zu ihm
auf. »Erzähl!« Im Schneidersitz setzte sie sich hin und wartete auf seinen Bericht.
Warum nicht?
Er konnte Ellen vertrauen. Er erzählte ihr, dass die beiden eigenartigen Unfälle
mit Todesfolge und der heutige Unfall im Kaufhaus allesamt eine Verbindung zu Lucinda
Schober aufwiesen, dass das aber ganz offensichtlich nur Zufall sei.
Ellen lachte.
»Das klingt zu verrückt, um wahr zu sein. Drei Mal ein solcher Zufall? Ich würde
die Lady im Auge behalten.«
»Ja, das
mache ich auch.« Er errötete.
»Was sehe
ich denn da? Nachtigall, ick hör dir trapsen. Diese Lucy hat dich beeindruckt, oder?«
»Ja, ich
finde sie sympathisch.«
Sie zeigte
mit dem Finger auf ihn. »Pass bloß auf, Frank. Sie ist eine Verdächtige.«
Er winkte
ab. »Nicht wirklich.«
Sie verschränkte
die Arme vor der Brust. »Du bist verliebt. Meine Güte, du bist tatsächlich verliebt.«
Er konnte
nicht recht einschätzen, ob sie sich für ihn freute oder ob sie das als Gefährdung
ihrer eigenen Rolle betrachtete.
Ellen war wieder nach oben gegangen,
und Frank hatte plötzlich das dringende Bedürfnis, zu laufen. Er zog seine Laufklamotten
an und joggte stundenlang an der Saar entlang. Die frische Luft blies ihm die ungebetenen
Gedanken aus dem Kopf. An Ellen, an den Dieter, an das Kind. Und die Scheidung.
An Herbert, der mühsam das Gehen wiedererlernte. Vielleicht sollte er ihn am Wochenende
besuchen oder wenigstens anrufen. Und an Lucy, immer wieder Lucy.
Er drehte
den MP3-Player lauter. ›Trust I seek and I find in you
– Every day for us something new …‹ James Hetfields Stimme überschwemmte
sein Hirn und ließ ihn alles vergessen. ›And nothing else matters …‹, sang er halblaut
mit. Eine Gänsehaut überzog seinen Körper, als er nassgeschwitzt und erschöpft spät
in der Nacht zu Hause ankam. Er duschte ausgiebig und fiel endlich ins Bett. Durch
seine Träume geisterte eine zierliche, dunkelhaarige Frau mit wunderschönen Füßen.
Als er in den frühen Morgenstunden erwachte, verschaffte er sich mit der Hand Erleichterung.
Lucy war
keine Mörderin. Sie durfte keine sein.
5
Reine Nachlässigkeit
Am Samstagmorgen fahre ich zu Kat
und Susa raus. Ich muss mir selbst ein Bild von den kranken Hühnern machen. Und
siehe da – der Albtraum löst sich in Wohlgefallen auf. Der Verdacht auf Geflügeltuberkulose
bestätigt sich nicht. Der Betrieb muss nicht stillgelegt werden, und es gibt auch
keine weiteren Erkrankungen. Kat und Susa haben trotzdem eine Wahnsinnsarbeit, weil
sie ja alle Hühner in den neuen Pferch setzen und schnellstens den Stall fertigstellen
wollen.
Was soll’s
… Handwerklich bin ich nur bedingt einsetzbar, aber sie freuen sich trotzdem über
meine Hilfe beim Zaun-Ziehen und Ausstreuen von Stroh auf dem Stallboden. Ich finde
es schön, dass Kats Hühner so natürlich leben. Ich weiß nicht, ob es stimmt, jedenfalls
behaupten die Mädels, dass sie durch meine Hilfe schneller fertig geworden sind,
und so können wir bei einem Kaffee endlich über die Manolos fachsimpeln. Susa nennt
mir besagten Schuhmacher, der die göttlichen High-Heel-Peeptoes wieder hinkriegen
könnte. Und sie meint, dass ich es auf jeden Fall über die Versicherung abrechnen
soll.
Als ich
zurück in die Stadt fahre,
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