Bei Tränen Mord: Roman (German Edition)
auf. Ich sehe mir keine Krimis mehr an.«
Sie drehte
noch immer die Tasse und verursachte damit ein klirrendes Geräusch, das ihn nervös
machte. Er legte seine Hand auf ihre, woraufhin sie mit der Bewegung aufhörte. Er
zog die Hand wieder weg. Auf einen Flirt konnte er sich jetzt nicht einlassen …
Leider.
»Wissen
Sie, Lucy«, ihre Augen leuchteten kurz auf, »ich glaube nicht, dass Sie eine Mörderin
sind. Für mich scheinen die Todesfälle tatsächlich Unfälle zu sein. Aber bis das
eindeutig geklärt ist, werde ich ein Auge auf Sie haben.«
Sie lächelte.
»Gerne.«
In seiner
Brust kribbelte es. Wann hatte er das zum letzten Mal gespürt? Vor seiner Hochzeit?
Mit Bedauern
verabschiedete er sich schließlich von Lucy Schober und lief zum Büro. Er musste
seine Berichte schreiben.
Er brütete
gerade über dem Unfallbericht von Harko Schaaf, als sein Handy klingelte. »Kraus?«
»Warum siehst
du nie auf das Display, Frank? Dann wüsstest du schon, wer dran ist.«
»Oh, hi,
Ellen.«
»Willst
du zum Abendessen zu uns kommen? Der Dieter würde sich freuen.«
»Ich sitze
an einem Bericht …«
»Macht doch
nix, bring ihn mit. Ich helfe dir beim Entziffern. Wäre ja nicht das erste Mal.«
»Was gibt
es denn?«
»Dibbelabbes.«
Ellen wusste
ganz genau, dass er da nicht widerstehen konnte. Sie machte den zweitbesten Dibbelabbes
der Welt. Den besten machte natürlich seine Mutter. Ihm lief das Wasser im Mund
zusammen. Es war schon eine Weile her, seit er diese saarländische Spezialität das
letzte Mal genossen hatte. Er steckte einen USB-Stick in den Rechner und zog den
angefangenen Bericht darauf. Ellen hatte recht, er konnte ihn zu Hause fertig schreiben.
»Bin schon
unterwegs.«
»Gut, bis
gleich.«
Als er an
Tinas Schreibtisch vorbeiging, fragte er sie, ob sie etwas für ihn habe. Sie schüttelte
den Kopf. »Nicht wirklich. Herr Kunze kann sich nicht erinnern, ob ihn jemand gestoßen
hat. Er sagte aus, dass Frau Schober sehr freundlich zu ihm gewesen sei.«
»Ist er
noch im Krankenhaus?«
»Nein, man
hat ihn entlassen.«
»Schönen
Feierabend dann.«
»Ja, und
schönes Wochenende! Wie kommst du eigentlich zurecht, so alleine? Das zieht sich
jetzt schon ganz schön lange hin, oder?«
Frank runzelte
kurz die Stirn. Sein Partner hatte sich im Frühjahr im Dienst verletzt und zog seit
Monaten von einer Rehaklinik in die nächste. Wenn kein Kontaktpolizist in der Nähe
war, begleitete ihn meist ein anderer Kollege oder eine Kollegin der Kripo zu Außenermittlungen,
aber ihm war es lieber, wenn er auf niemanden Rücksicht nehmen musste. Es gab in
den Bestimmungen eine Grauzone, die er weidlich ausnutzte.
Wie fast
immer ging er zu Fuß. Er zog das Handy aus der Tasche, um Lucinda Schobers Nummer
zu wählen, da klingelte es plötzlich. »Kraus?«
»Lucy Schober
hier. Ich … ich wollte Ihnen noch mal sagen, dass das alles wirklich nur blöde Zufälle
sind. Ich bin keine Mörderin.«
Ihre Stimme
kroch in sein Inneres hinein. »Herr Kunze hat ausgesagt, dass Sie sehr freundlich
zu ihm waren. Können Sie sich erinnern, ob jemand hinter ihm auf der Rolltreppe
gestanden hat, der ihn vielleicht geschubst haben könnte?«
»Es war
ziemlich viel los, und ich konzentrierte mich so darauf, nicht von ihm berührt zu
werden … Schon möglich, ich weiß es nicht genau.«
»Na, machen
Sie sich mal keine Sorgen, Lucy. Es wird sich sicherlich herausstellen, dass keiner
der drei Fälle Mord war.«
»Ääh, der
Herr Kunze lebt ja noch, das ist dann ja eh kein Mord, oder?«
»Nein, das
stimmt, der Fall Kunze wird nicht weiterverfolgt werden.«
Sie räusperte
sich. Frank näherte sich bereits seinem Haus in der Ludwigstraße. Schon von Weitem
wehte ihm der herzhafte Duft von Dibbelabbes entgegen; Ellen hatte offensichtlich
das Küchenfenster gekippt.
»Dann kann
ich nur hoffen, dass sonst niemand mehr zu Tode kommt, mit dem ich zu tun hatte
…« Sie lachte auf. »Tschüss, Herr Kommissar …«
Wollte sie
noch etwas sagen?, fragte er sich. Doch sie schwieg.
»Ja, dann
tschüss.« Er legte auf und zog den Schlüssel heraus, um aufzuschließen, drinnen
stieg er die Treppe hoch zur Wohnungstür. Er zögerte. Seit der Dieter darin wohnte,
konnte er nie wissen, was die beiden gerade machten. Bis zu diesem Moment hatte
er nicht daran gedacht, dass es angebracht wäre, anzuklopfen und zu warten, bis
Ellen ihn hereinrief. Er hielt den Schlüssel wie einen fremden Gegenstand in der
Hand und starrte darauf. Noch nie
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