Bei Tränen Mord: Roman (German Edition)
an.
Frank reichte
ihm die Hand. »Ich danke Ihnen. Bitte bleiben Sie noch hier, bis die Ärzte Ihnen
erlauben, zu gehen, und halten Sie sich zu unserer Verfügung, falls wir noch Fragen
haben.«
Der Mann
senkte den Kopf und nickte.
Frank verließ das Krankenhaus, fuhr
zur Wache, stellte seinen Wagen ab und ging zu Fuß zum Großen Markt. Lucy hatte
ihm gestern Abend erzählt, dass sie am Wochenende arbeiten musste. Er wollte sie
sehen, ganz privat.
Im Kopf
bewegte er alle Figuren hin und her. Ein Unbekannter mit einem dunklen Sweatshirt
war sowohl bei Schaafs Unfall als auch heute gesehen worden. Vielleicht nur Zufall.
Er würde alle Verdächtigen fragen, ob sie ein solches Sweatshirt besaßen. Er grunzte:
Er selbst besaß eines!
Katharina
Schober hatte sich bei einigen Unfällen in der Nähe aufgehalten. Zudem überzeugten
ihn ihre Alibis nicht besonders. Er würde sie befragen, wo sie heute Morgen zur
Unfallzeit gewesen war.
Tja, und
Lucy natürlich, der Unglücksrabe, der bisher jedes Mal eine mehr oder weniger aktive
Rolle gespielt hatte. Außerdem hatte sie mit jedem der Opfer etwas zu tun gehabt
und infolgedessen jeweils ein – wenn auch schwaches – Motiv. Er rieb sich die Stirn
beim Gedanken an die Zweifel an ihrer Unschuld, die in ihr selbst aufgekeimt waren,
und die er noch gestern so vehement zurückgewiesen hatte. Heute Morgen hatte sie
sich aber definitiv nicht in der Nähe des Unglücksortes aufgehalten.
Was war
mit Maurice? Ihn hatte er bisher nicht in Betracht gezogen, doch angesichts der
wenig überzeugenden Motive der anderen Verdächtigen gab es keinen triftigen Grund,
ihn außen vor zu lassen. Er war, wie Kat, einige Male in der Nähe der Unglücksfälle
gewesen. Lucy hatte gesagt, dass sie ihn im Klopfer gesehen habe, im Fall Friskeel
hatte er zur Unglückszeit im selben Gebäude gearbeitet. Gestern war er in Riegelsberg
mit von der Partie gewesen, und heute hatte er anscheinend sogar auf ihn, Frank,
gewartet. Als Frank durch die große Glastür das Bürogebäude betrat, fragte er sich,
wieso er den sanften jungen Mann noch nicht danach gefragt hatte, wie es kam, dass
er in der Nähe der Unglücksorte gewesen war. Ja, tatsächlich, vielleicht sollte
er ihn gründlicher durchleuchten.
Und Lucys
Chef Dürrbier? Er hatte die Horrorlisten erstellt und Lucy damit arbeiten lassen.
Vielleicht verfolgte er einen persönlichen Racheplan, mit dem er sich sowohl an
den unangenehmen Kunden als auch an seiner Mitarbeiterin rächen wollte? Aber mit
welchem Motiv? Hatte sie ihn zurückgewiesen und seine Eitelkeit verletzt?
Und zuletzt
Friskeels eifersüchtige Kollegin. Bestand die Wahrscheinlichkeit, dass es eine Verbindung
von ihr zu den anderen Fällen gab?
Keine seiner
Überlegungen schien plausibel. Mit einer so ungewöhnlichen Unfall- oder Mordserie
hatte er noch nie zu tun gehabt.
Er stieg
aus dem Fahrstuhl und betrat das Callcenter. Heute war weniger als die Hälfte der
Plätze besetzt. An der angespannt wirkenden Haltung der Arbeitenden erkannte er,
dass sie ihn registriert hatten. An Lucys Arbeitsplatz stand ein leerer Bürostuhl.
Dürrbier
schien nicht anwesend zu sein; alle Rollos waren hochgezogen und es hielt sich niemand
im Raum auf. Zögernd ging Frank den Gang zwischen den Schreibtischen entlang und
blieb bei der ersten Telefonistin stehen. Hatte er sie schon befragt? Das war ein
echtes Manko: Er konnte sich weder Namen noch Gesichter der Menschen, mit denen
er zu tun hatte, besonders gut merken. Allzu oft dachte er krampfhaft darüber nach,
ob er jemanden schon vernommen hatte. Sein Partner Herbert hatte das immer lachend
abgetan. Er selbst merkte sich Gesichter und die zugehörigen Namen, vergaß dafür
aber andere wichtige Details. Die Frau beendete soeben ein Gespräch und sah abwartend
zu Frank auf.
»Ja, bitte?«,
fragte sie dann. Das ließ darauf schließen, dass sie ihn noch nicht kannte.
»Ist Lucinda
Schober da?«
»Wer will
das wissen?« Sie lächelte keck, doch ihm war nicht nach Scherzen zumute.
»Kommissar
Kraus«, sagte er kühl und zeigte ihr seinen Ausweis.
Sofort setzte
sie sich aufrecht hin. »Ach so, Sie ermitteln sicher im Todesfall Friskeel, nicht?
Aber was hat das mit Lucy zu tun?«
»Sagen Sie
mir einfach, wo sie ist. Sie hat doch heute Dienst, oder?«
Die Frau
sah auf den Bildschirm, dann nickte sie zu ihm hoch. »Sie scheint sich zu verspäten.
Kann ich Ihnen inzwischen weiterhelfen?«
»Hmm … Habe
ich Sie noch nicht befragt?«
Sie zog
die
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