Beifang
man?«
»Eskortiert?«, schlug Berndorf vor.
»Ja, das war das Wort... Aber die Russen haben ihn abgeschossen, und er war tot.« Sie sah ihn an. »Das war doch traurig.«
Also 1943, dachte Berndorf.
»Erst haben sie gesagt, er sei vermisst. Aber ich hab es gleich gewusst, dass er tot ist. Eine Frau weiß das. Es hat keinen Sinn, sich etwas vorzulügen.« Ihre Gestalt straffte sich. »Das hab ich auch der Marianne gesagt. Die ist immer gekommen und hat trösten wollen.« Sie schüttelte den Kopf. »Das konnte ich nicht haben.«
»Das war dumm, was die Marianne da gesagt hat?«
»Ja, dumm. Und einmal, da hat sie schon einen dicken Bauch gehabt, da hat sie gesagt, von den Männern, die im Krieg sind, kommen nur die falschen zurück.« Wieder schüttelte sie den Kopf. »Als ob ich froh sein müsste.«
»War Marianne mit ihrem Mann unglücklich?«
»Glücklich, unglücklich, ich weiß nicht, was das sein soll.« Sie zuckte mit den Achseln. »Frauen haben in der Schwangerschaft manchmal solche Zustände. Da hilft frische Luft.«
Das mochte so sein oder auch nicht, dachte Berndorf und holte aus seiner Tasche das Foto mit der Vergrößerung von Fionas Schmuck. »Haben Sie diese Kette einmal an ihr gesehen?«
Lisbeth Anderbrück warf einen kurzen Blick auf die Vergrö ßerung. »Marianne trug keinen Schmuck.«
»Wo hätte man so etwas damals überhaupt kaufen können?«, fragte Berndorf. »Zum Beispiel in einem Ulmer Schmuckgeschäft?«
»Das hat mich nie interessiert.«
»Nun gab es in Herrlingen dieses Altersheim. Dieses jüdische Altersheim...« Noch ehe er seine Frage formuliert hatte, sah er, dass er wohl kaum Antwort darauf bekommen würde. »Kann es sein, dass die Bewohner im Dorf Lebensmittel eingekauft haben, dass sie gehamstert haben, wie man es damals nannte?«
»Davon weiß ich nichts.«
»Hat Ihre Freundin Marianne vielleicht einen dieser Bewohner gekannt?«
»Die doch nicht.« Sie stieß ein heiseres, keuchendes Geräusch aus. Es dauerte eine Weile, bis Berndorf begriff, dass es ein Lachen sein sollte. »Der ihr Mann war doch ein Hundertfünfzigprozentiger. Wie alle, die keine Soldaten waren.« Das Lachen tat ihrer rechten Hand nicht gut, das Zittern geriet fast zu einem Trommeln, und sie musste sie mit der Linken geradezu auf das Tischchen drücken, das zwischen ihr und Berndorf stand.
»Und Sie haben auch nie einen der Bewohner des Heims gesehen? Vielleicht in Ihrer Straße? Die mussten doch damals den Judenstern tragen.«
»Ich weiß von diesem Heim nichts.« Ihre hellblauen Augen verschwammen in einem Meer des Nichtwissens. »Diese Juden - die haben mich nicht interessiert. Dann sind sie ja auch alle ausgewandert.«
»Ausgewandert?«
»Ja doch, nach Palästina.«
Bleib mir vom Leib mit deinem Handkantenschlag! Kollege, was glaubst du, was mich dieses Gerede nervt«, sagte Pollath und hob seine Pranken, als wolle er auf der Stelle alle Dummschwätzer erwürgen, die sich ohne jeden Anflug von Scham über Dinge ausließen, von denen sie absolut nichts verstanden. Hauptkommissar Klaus Pollath gehörte zwar zum Einbruchsdezernat, war aber nebenbei diplomierter Sportlehrer und Trainer in den Techniken der Selbstverteidigung.
»Jedes Bürschchen, das ein bisschen in der Luft herumfuchtelt, hält das schon für einen Handkantenschlag und sich selbst für eine Kampfmaschine. Das kommt mir so vor wie die Leute, die wissen, was ein Schäferzug ist, und deshalb meinen, sie seien die großen Schachspieler.« Er warf einen Blick auf Kuttler - einen Blick, der keinen Zweifel daran ließ, was er von dessen athletischen oder kämpferischen Fähigkeiten hielt. »Stell dir das doch mal vor, Kollege: Du gerätst an einen aus dem Milieu und versuchst einen Schlag mit der Handkante - weißt du, was passiert? Der Kerl wehrt den Schlag ab, was übrigens ziemlich einfach ist, und dann schlägt er dich halb oder ganz tot, und schuld bist allein du selbst, denn du hast angefangen.«
Kuttler nickte. Eigentlich hätte er sich das alles selber denken können. Eigentlich hatte er auch nur wissen wollen, in welchen Sportschulen oder Trainingscentern solche Schlagtechniken gelehrt oder geübt werden.
»Um einen körperlich überlegenen, trainierten Angreifer abzuwehren«, fuhr Pollath fort, »ist ein Handkantenschlag ein denkbar ungeeignetes Mittel, und gegen einen körperlich unterlegenen Gegner verbietet es sich von selbst. Also, wozu ist
er gut? Zu gar nichts. Mit der Handkante töten irgendwelche
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