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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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bezahlen.«
    Â»Nur daß meine Tochter dann vielleicht schon nicht mehr am Leben ist. Wir reden hier nicht über ein Auto, wo wir erst mal ein gebrauchtes Ersatzteil einbauen, und wenn das nicht funktioniert, nehmen wir ein neues. Wir sprechen über einen Menschen. Einen Menschen. Wißt ihr Roboter in eurem Laden überhaupt, was das ist?«
    Diesmal rechne ich mit dem Klicken, als die Verbindung abgebrochen wird.
    Zanne trifft am Abend ein, bevor wir am nächsten Tag mit Kate ins Krankenhaus müssen, weil sie mit der Vorbereitungsdiät für die Transplantation anfangen muß. Sie läßt sich von Jesse helfen, ihr tragbares Büro aufzubauen, nimmt einen Anruf aus Australien entgegen und kommt dann in die Küche, um sich von Brian und mir die täglichen Abläufe erklären zu lassen. »Anna hat am Dienstag Sport«, sage ich. »Um drei. Und irgendwann in dieser Woche kommt der Öllieferant.«
    Â»Der Mülleimer muß am Mittwoch raus«, fügt Brian hinzu.
    Â»Bring Jesse auf keinen Fall zu Schule. Das finden Sechstkläßler total peinlich.«
    Sie nickt und hört aufmerksam zu und macht sich sogar Notizen und sagt, sie hätte zwei Fragen. »Der Fisch –«
    Â»Kriegt zweimal in der Woche Futter. Das kann Jesse machen, wenn du ihn dran erinnerst.«
    Â»Gibt es feste Schlafenszeiten?« fragt Zanne.
    Â»Allerdings«, erwidere ich. »Plus eine Stunde, wenn du ihnen mal eine besondere Freude machen willst.«
    Â»Anna um acht«, sagt Brian. »Jesse um zehn. Sonst noch was?«
    Â»Ja.« Zanne greift in ihre Tasche und holt einen Scheck über 100 000 Dollar heraus.
    Â»Suzanne«, sage ich völlig verblüfft. »Das können wir nicht annehmen.«
    Â»Ich weiß, wie teuer die Behandlung ist. Ihr könnt das nicht bezahlen. Ich schon. Also laßt mich.«
    Brian nimmt den Scheck und gibt ihn ihr zurück. »Danke«, sagt er. »Aber wir haben das Geld für die Transplantation zusammen.«
    Das ist mir neu. »Ach ja?«
    Â»Die Jungs auf der Wache haben einen Aufruf gemacht, landesweit, und eine Menge Feuerwehrleute haben gespendet.« Brian schaut mich an. »Ich habe es erst heute erfahren.«
    Â»Im Ernst?« Mir fällt ein Stein vom Herzen.
    Er zuckt die Achseln. »Das sind meine Brüder«, sagt er.
    Ich gehe zu Zanne und umarme sie. »Vielen Dank. Für dein großzügiges Angebot.«
    Â»Wenn ihr doch was braucht, sagt es einfach«, erwidert sie.
    Aber wir brauchen nichts. Wenigstens bezahlen können wir.
    Â»Kate!« rufe ich am nächsten Morgen. »Wir müssen los!«
    Anna hat sich auf Zannes Schoß auf der Couch zusammengerollt. Sie zieht den Daumen aus dem Mund, aber sie verabschiedet sich nicht.
    Â»Kate!« brülle ich. »Wir fahren!«
    Jesse hat seinen Nintendo-Joystick in der Hand und macht sich über mich lustig: »Als ob ihr ohne sie fahren würdet.«
    Â»Das weiß sie doch nicht. Kate!« Seufzend laufe ich die Treppe zu ihrem Zimmer hoch.
    Die Tür ist geschlossen. Mit einem leisen Klopfen öffne ich sie und sehe, wie Kate gerade fertig wird, ihr Bett zu machen. Die Tagesdecke ist so straff, daß man in der Mitte eine Münze hüpfen lassen könnte. Die Kissen sind aufgeschüttelt und liegen ganz akkurat am Kopfende. Ihre Stofftiere, die nur noch Andenken sind, sitzen der Größe nach aufgereiht auf der Fensterbank. Sogar ihre Schuhe hat sie im Wandschrank ordentlich sortiert, und das Chaos auf ihrem Schreibtisch ist verschwunden.
    Â»Okay.« Ich hatte sie nicht einmal gebeten, ihr Zimmer aufzuräumen. »Ich hab mich anscheinend im Zimmer geirrt.«
    Sie dreht sich um. »Falls ich nicht wiederkomme«, sagt sie.
    Als ich das erste Mal Mutter geworden war, lag ich nachts im Bett und stellte mir alle möglichen Schrecknisse vor: der Biß einer Qualle, der Geschmack einer giftigen Beere, das Lächeln eines Fremden, der Sprung ins flache Wasser eines Pools. Ein Kind kann durch so vieles Schaden nehmen, daß man meinen könnte, eine Person allein kann unmöglich für seine Sicherheit sorgen. Als meine Kinder älter wurden, veränderten sich lediglich die Gefahren: Klebstoff inhalieren, mit Streichhölzern spielen, kleine rosa Pillen, die in der Schule auf der Toilette verkauft wurden. Selbst wenn man die ganze Nacht wachliegt, reicht die Zeit nicht aus, sich alle Möglichkeiten

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