Beim Leben meiner Schwester
wieder Farbe bekam. Ihr Freund heulte neben ihr wie ein SchloÃhund. Ich blickte Paulie in die Augen. »Wenn ich nicht hier bin«, erklärte ich, »muà ich dort sein.«
Der Anwalt und ich haben unseren Kaffee ausgetrunken. »Noch eine Tasse?« frage ich.
»Lieber nicht. Ich muà zurück ins Büro.«
Wir nicken einander zu, aber es ist auch eigentlich alles gesagt. »Keine Angst wegen Anna«, füge ich hinzu. »Ich sorge dafür, daà sie alles kriegt, was sie braucht.«
»Sie sollten vielleicht auch mal zu Hause nach dem Rechten sehen«, sagt Alexander. »Ich hab Ihren Sohn vorhin vor der Verhaftung bewahrt. Er hat einem Richter den Wagen geklaut.«
Er stellt seine Kaffeetasse in die Spüle und läÃt mich mit dieser Information zurück, die mich, das weià ich, früher oder später in die Knie zwingen wird.
SARA
1997 Man kann noch so oft in die Notaufnahme fahren, es wird nie zur Routine. Brian trägt unsere Tochter, von deren Gesicht Blut tropft. Eine Krankenschwester winkt uns herein und führt die Kinder zu der Reihe Plastikstühle, wo sie warten können. Ein Assistenzarzt kommt in den Untersuchungsraum, ganz geschäftig. »Was ist passiert?«
»Sie ist über den Fahrradlenker gestürzt«, sage ich, »und auf dem Asphalt aufgeschlagen. Es deutet nichts auf eine Gehirnerschütterung hin, aber am Haaransatz hat sie eine vier Zentimeter lange Platzwunde.«
Der Arzt legt sie behutsam auf den Tisch, zieht sich Handschuhe über und inspiziert die Stirn. »Sind Sie Ãrztin oder Krankenschwester?«
Ich ringe mir ein Lächeln ab. »Ich bin so was einfach gewohnt.«
Die Wunde wird mit etlichen Stichen genäht, und kurz darauf gehen wir Hand in Hand mit unserer Tochter, die einen leuchtendweiÃen Mullverband um den Kopf und eine kräftige Dosis Tylenol in den Adern hat, zum Wartebereich.
Jesse fragt, wie viele Stiche sie gebraucht hat. Brian versichert ihr, daà sie tapfer war wie eine Feuerwehrfrau. Kate blickt auf Annas frischen Verband. »Hier drauÃen zu warten gefällt mir besser«, sagt sie.
Es fängt an, als Kate im Badezimmer loskreischt. Ich renne die Treppe hoch ins Bad und sehe meine Neunjährige vor der Toilettenschüssel stehen, die mit Blut vollgespritzt ist. Auch an den Beinen läuft ihr Blut herab und hat die Unterhose durchnäÃt. Das ist typisch für APL â Blutungen in allen erdenklichen Formen. Kate hatte schon einmal eine Rektalblutung, aber da war sie noch so klein, daà sie sich nicht mehr daran erinnert. »Ist nicht so schlimm«, beruhige ich sie.
Ich hole einen warmen Waschlappen und mache sie sauber. Dann lege ich ihr eine Binde in die Unterhose und sehe zu, wie sie sich das sperrige Ding zwischen den Beinen in eine halbwegs bequeme Position schiebt. Dieser Augenblick hätte eigentlich mit ihrer ersten Periode kommen sollen. Wird sie das noch erleben?
»Mom«, sagt Kate. »Es ist wieder da.«
»Klinischer Rückfall.« Dr. Chance nimmt seine Brille ab und preÃt sich die Daumen an die Augenwinkel. »Ich denke, wir kommen nicht mehr um eine Knochenmarktransplantation herum.«
Urplötzlich fällt mir der aufblasbare Boxsack ein, den ich hatte, als ich in Annas Alter war. Er hatte die Form eines Clowns.
»Aber vor ein paar Monaten«, stellte Brian fest, »haben Sie noch gesagt, das wäre gefährlich.«
»Ist es auch. Fünfzig Prozent der Patienten, die eine Knochenmarktransplantation erhalten, werden geheilt. Die andere Hälfte überlebt die Chemo und die Bestrahlung nicht, die der Transplantation vorausgehen. Und einige sterben an den Komplikationen, die nach der Transplantation auftreten können.«
Brian blickt mich an, und dann spricht er die Angst aus, die zwischen uns flimmert. »Warum sollen wir Kate dann überhaupt dem Risiko aussetzen?«
»Weil sie sonst«, erklärt Dr. Chance, »auf jeden Fall stirbt.«
Als ich das erste Mal bei der Krankenversicherung anrufe, werde ich aus Versehen aus der Leitung geworfen. Beim zweiten Mal muà ich zweiundzwanzig Minuten lang die Warteschleifenmusik ertragen, bis ich endlich eine Mitarbeiterin vom Kundenservice erreiche. »Geben Sie mir bitte Ihre Versicherungsnummer?«
Ich nenne sie ihr. »Was kann ich für Sie tun?«
»Ich habe schon vor einer Woche mit einer Kollegin von Ihnen gesprochen«, erkläre
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