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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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mit Aussicht auf die Sterne oder auf die Wolken hätte, ob man zum Essen Hähnchen oder Fisch oder Manna möchte, wie alt man gern für andere aussehen würde. Ich zum Beispiel würde mich für siebzehn entscheiden, in der Hoffnung, daß mir bis dahin Busen gewachsen ist, und selbst wenn ich als Hundertjährige sterben sollte, wäre ich im Himmel wieder jung und hübsch.
    Einmal abends beim Essen hat mein Vater gesagt, obwohl er schon alt alt alt wäre, würde er sich fühlen wie einundzwanzig. Vielleicht gibt es ja im Leben einen Platz, den man abnutzt, wie eine Spurrille in der Fahrbahn oder besser wie die weiche Stelle auf der Couch. Und egal, was einem sonst noch alles passiert, da kommt man immer wieder hin.
    Das Problem ist, glaube ich, daß jeder anders ist. Was passiert im Himmel, wenn alle diese Leute einander suchen, nachdem sie so viele Jahre getrennt sind? Sagen wir, du stirbst und machst dich auf die Suche nach deinem Mann, der vor fünf Jahren gestorben ist. Was ist, wenn du ihn dir als Siebzigjährigen vorstellst, aber er herumläuft wie ein junger Hüpfer?
    Oder was, wenn du Kate bist und mit sechzehn stirbst, aber im Himmel wie fünfunddreißig aussehen möchtest, ein Alter, das du auf der Erde nicht erreichen konntest? Wie soll dich da jemals jemand finden?
    Campbell ruft meinen Vater auf der Wache an, als wir beim Mittagessen sind, und sagt, die gegnerische Anwältin möchte über den Fall sprechen. Was irgendwie eine blöde Formulierung ist, da wir alle wissen, daß er meine Mutter meint. Er sagt, wir sollen um drei in sein Büro kommen, obwohl Sonntag ist.
    Ich sitze auf dem Boden mit Judges Kopf in meinem Schoß. Campbell ist so hektisch, daß er es mir nicht mal verbietet. Meine Mutter ist auf die Minute pünktlich und, da Kerry heute natürlich nicht an ihrem Platz sitzt, kommt sie einfach so herein. Sie hat sich die Haare extra zu einem adretten Knoten nach hinten gebunden. Sie hat sich ein wenig geschminkt. Doch anders als Campbell, der diesen Raum wie einen Mantel trägt, den er an- und ausziehen kann, wirkt meine Mutter in einer Anwaltskanzlei völlig fehl am Platze. Ich kann mir absolut nicht vorstellen, daß meine Mutter mal als Anwältin ihr Geld verdient hat. Ich glaube, sie war mal jemand ganz anderes. Ich glaube, das waren wir alle.
    Â»Hallo«, sagt sie leise.
    Â»Mrs. Fitzgerald«, erwidert Campbell. Eis.
    Die Augen meiner Mutter gleiten von meinem Vater am Konferenztisch entlang zu mir und dann auf den Fußboden. »Hi«, sagt sie zu mir. Sie macht einen Schritt auf mich zu, als ob sie mich umarmen will, bleibt aber stehen.
    Â»Sie haben um dieses Gespräch gebeten, Frau Kollegin«, drängt Campbell.
    Meine Mutter nimmt Platz. »Ich weiß. Ich … na ja, ich habe die Hoffnung, daß wir zu einer Einigung kommen. Ich möchte, daß wir eine Entscheidung treffen, zusammen.«
    Campbell trommelt mit den Fingern auf dem Tisch. »Wollen Sie uns einen Kompromiß vorschlagen?«
    So wie er es ausdrückt, klingt es, als ginge es um ein Geschäft. Meine Mutter blinzelt ihn an. »Ja, gewissermaßen.« Sie dreht ihren Stuhl zu mir, als wären nur wir beide im Raum. »Anna, ich weiß, wieviel du für Kate getan hast. Ich weiß auch, daß sie nicht mehr viele Chancen hat … aber vielleicht hat sie noch diese eine.«
    Â»Setzen Sie meine Mandantin nicht so unter Druck –«
    Â»Schon gut, Campbell«, sage ich. »Lassen Sie sie reden.«
    Â»Wenn der Krebs wiederkommt, wenn die Nierentransplantation nicht funktioniert, wenn es nicht so ausgeht, wie wir es uns alle für Kate wünschen – also, dann werde ich dich nie wieder bitten, deiner Schwester zu helfen – aber Anna, tu es bitte noch dieses eine Mal.«
    Jetzt wirkt sie sehr klein, noch kleiner als ich, als wäre ich die Mutter und sie das Kind.
    Ich blicke meinen Vater an, aber er sagt keinen Mucks, studiert angestrengt die Maserung der Tischplatte.
    Â»Wollen Sie damit sagen, daß meine Mandantin, wenn sie bereit ist, eine Niere zu spenden, von allen weiteren medizinischen Maßnahmen befreit sein wird, die in der Zukunft erforderlich sein könnten, um Kates Leben zu verlängern?« stellt Campbell klar.
    Meine Mutter holt tief Luft. »Ja.«
    Â»Darüber müssen wir natürlich sprechen.«
    Als ich sieben war, wollte Jesse mich unbedingt davon

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