Beinah auf den ersten Blick: Roman (German Edition)
am Verhungern. Obwohl doch meine Ehe gerade gescheitert ist. Das muss doch ein gutes Zeichen sein, oder?«
»Man bekommt hier Chips«, sagte Cleo. »Und Nüsse.« Sie hatte ebenfalls Hunger. Zu Hause im Kühlschrank wartete ein Fertiggericht auf sie, Auflauf mit Würstchen. Es war nur für eine Person gedacht und ließ sich nicht gut aufteilen, aber wenn sie es anbot …
»Na schön.« Johnny hob die Hand, als Cleo gerade den Mund öffnen wollte. »Wie wäre es, wenn wir hier noch einen Drink nehmen und dann zu mir fahren? Ich kann Ihnen Steak und Pommes oder ein Pilzrisotto anbieten. Und ich habe noch Pizza im Tiefkühlfach.« Ihm kam ein Nachgedanke. »Es gibt auch noch Streuselkuchen mit Brombeeren.«
Ehrlich, für wen hielt er sich? Jean-Christophe Novelli?
»Wow!« Fia klang schwer beeindruckt. »Er ist nicht nur ein weltberühmter Künstler, er kann auch noch kochen.«
Zehn Minuten später gaben zwei Neuankömmlinge auf der Bühne Elton und Kiki, und das erstaunlich gut. Don’t go breaking my heart . Cleo nützte den Toilettenbesuch von Johnny, um Fia zur Seite zu ziehen.
»Hören Sie, Sie kennen Johnny nicht. Ich finde, Sie sollten nicht zu ihm nach Hause. Sie können bei mir bleiben, das macht wirklich keine Mühe. Es gibt Auflauf mit Würstchen!« Würstchen. Im Singular. Es gab ja nur eines, und sie würde es in zwei Hälften schneiden und eine Dose Tomaten hinzufügen und vielleicht noch ein paar gebackene Bohnen, damit der Auflauf auch wirklich für zwei reichte. Cleo lächelte gewinnend. »Ehrlich, das wäre viel besser.«
Sie sah, wie es in Fias Kopf dachte. Hm, Filetsteak und Pommes frites oder Auflauf mit Würstchen. Winziges Cottage oder sensationelle Villa. Die muffelige Ex-Freundin des Ehemannes oder der charmante, unglaublich attraktive Bildhauer …
Alles in allem, was genau wäre bei ihr besser?
Fia suchte nach den rechten Worten. Schließlich fielen sie ihr ein: »Danke schön, aber ich habe ihm bereits zugesagt. Es wäre unhöflich, wenn ich jetzt zurückrudere.«
Überraschung, Überraschung.
»Na schön, aber darf ich noch eines sagen? Johnny steht in einem gewissen Ruf. Tun Sie also nichts, was Sie bedauern könnten.«
Fia dachte darüber nach. Dann erwiderte sie: »Wissen Sie, ich hätte nie gedacht, dass ich einmal moralische Ratschläge von der Geliebten meines Ehemannes bekommen würde.«
Das war unter der Gürtellinie. »Ich war keine Geliebte! Ich wusste ja gar nicht, dass er verheiratet ist!«
»Eben. Dann sind Sie also nicht gerade eine Expertin, oder? Tut mir leid, ich will nicht unhöflich sein, aber Sie haben mir mein Leben schon genug versaut. Warum kann ich mich jetzt nicht einfach treiben lassen? Wer weiß, was passiert? Vielleicht ist das hier Schicksal. Ich bin zum ersten Mal in meinem Leben hier, wollte eigentlich nur Sie sehen und bin am Ende bei Johnny gelandet. Und er ist unglaublich freundlich und scheint ein wirklich netter Kerl zu sein …«
Cleo fragte sich, was sie darauf sagen sollte. Sollte sie ihr erklären, dass es Männern wie Johnny LaVenture ja eben darum ging, einen denken zu lassen, sie seien nett?
»Ich stelle mir allmählich eine Frage.« Fia zeigte schelmisch mit dem Zeigefinger auf Cleo. »Sind Sie womöglich ein bisschen eifersüchtig, weil Sie ihn insgeheim für sich haben möchten?«
Argh, was für ein Gedanke . »Johnny und ich sind hier im Dorf zusammen aufgewachsen. Wir sind zusammen zur Schule gegangen. Das Gegenteil ist der Fall«, erklärte Cleo.
Am nächsten Morgen traf Cleo um halb sieben in Cardiff ein. Sie holte eine Schauspielerin mittleren Alters ab, die den ganzen Weg bis Chichester schnarchte und auf ihren smaragdgrünen Hermès-Schal sabberte. Im Fernsehen schien sie immer der Inbegriff von Glanz und Glamour.
Als Cleo nachmittags nach Hause kam, sah sie, dass Fias Wagen verschwunden war. Endlich. Der Schnee war ebenfalls so gut wie geschmolzen. Cleo fand, dass sie ein langes, heißes Bad verdient hatte.
Das zwanzig Minuten später – neiiin! – von der Türglocke unterbrochen wurde.
Stöhnend hievte sich Cleo aus der Wanne, warf sich ihren weißen, flauschigen Morgenmantel über und wickelte sich ein orangefarbenes Handtuch um den Kopf.
Das lohnte sich hoffentlich. Es musste ja nicht gleich Ewan McGregor sein, auch die Lotteriefee wäre willkommen …
»Hallo!« Fia trug immer noch die Kleider vom Vortrag, dazu ein frisch aufgetragenes Make-up und ein strahlendes Lächeln.
»Hallo.« Cleo zog den
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