Beinah auf den ersten Blick: Roman (German Edition)
kritisieren. Es war, als sei man acht Stunden pro Tag mit der Outfit-Polizei eingesperrt. Fia hätte sich schon vor Monaten einen anderen Job gesucht, aber immer, wenn sie davon anfing, regte Will sich auf und erklärte, damit würde sie sowohl ihn als auch seine Mutter im Stich lassen.
Und leichte Beute, die sie war, hatte sie ihm geglaubt. Wo er sie damit in Wirklichkeit nur hatte kontrollieren wollen, während er sein eigenes Leben so führte, wie es ihm beliebte.
In der Rückschau konnte Fia nicht fassen, wie naiv sie gewesen war. Das war die Strafe für ihre Vertrauensseligkeit. Tja, all das hatte sie nun hinter sich gelassen. Will und sein herrschsüchtiger Albtraum von Mutter konnten sie mal, sie hatte jetzt einen neuen Abschnitt ihres Lebens begonnen, und von nun an würde sie sich nichts mehr gefallen lassen. Von niemand.
Wer wagt, gewinnt. Sie hatte gewagt und bislang definitiv gewonnen.
Und am besten von allem war, dass sie ihren unerwarteten, neuen Job richtig mochte. Auch wenn es bedeutete, um sechs Uhr aufzustehen, um die Lebensmittel zu besorgen, die sie zum Kochen brauchte, dann zurückzukommen und die nächsten drei Stunden in der Küche zu stehen und alles vorzubereiten.
»La la la, laaa laaaa.« Fia summte zu ihrer CD, schälte und viertelte die Kartoffeln für ihren Auflauf und ließ sie in den Topf auf dem Herd gleiten. Durch das Küchenfenster konnte sie in den Garten des Pub schauen, in dem wilde Kaninchen hoppelten und Vögel wie Akrobaten in den Bäumen turnten und sich an Beeren und Samenkörnern gütlich taten. Fia liebte diesen himmlischen Frieden am frühen Morgen, ebenso wie die fröhliche Betriebsamkeit, sobald der Pub geöffnet hatte. Natürlich war es harte Arbeit, aber alle freuten sich so sehr an ihrem Essen, und das glich es wieder aus. Noch nie zuvor hatte sie so viele Komplimente erhalten. Vielleicht ließ der Reiz des Neuen irgendwann nach, aber so weit war es noch nicht.
Frank, der Wirt, trat in die Küche, als sie die Zwiebelscheiben in Butter und Öl anbriet.
»Morgen, Schätzchen. Riecht gut. Kaffee?«
»Hallo, Frank. Ja, bitte.« Sie streute Kristallzucker über die Zwiebeln. »Ich mache heute Lammhack mit Kartoffelbrei, Pilze à la Stroganoff, Hühnchen mit Lauch und Curry mit Rind.«
»Großartig. Wir haben bereits zwölf Reservierungen fürs Mittagessen. Eine Gruppe von Frauen, die sonst immer im The Bear essen, kommt vorbei, weil sie so viel Gutes gehört haben. Es spricht sich herum, Schätzchen.« Frank klopfte ihr auf den Rücken. »Du wirst noch zu einem Star! Quasi unsere ureigenste Promi-Köchin!«
Fia trug es mit Fassung. Es war als Kompliment gemeint.
»Ha!« Frank sah aus dem Fenster. »Kaninchen auf zwei Uhr. Wo ist meine Schrotflinte?«
Manchmal hielt er sich für einen großen Jäger vor dem Herrn.
»Bring sie nicht um. Ich sehe ihnen gern zu, wenn sie hin und her hoppeln.«
»Spielverderberin. Die kleinen Mistkerle werden dir nicht mehr ganz so süß vorkommen, wenn sie sich in deinem Gemüsebeet breitmachen.« Frank nickte zu dem CD-Gerät auf dem Regal über dem Kühlschrank. »Was hörst du da?«
» Carmina Burana . Von Carl Orff. Gefällt es dir?«
Er schnitt eine Grimasse. »Habe mir aus diesem klassischen Zeug nie viel gemacht.«
Konnte sie ihn überzeugen? »Es ist entspannend. Mir gefällt es, wenn es im Hintergrund läuft.«
Frank hörte einige Sekunden zu, eindeutig nicht beeindruckt. Schließlich sagte er: »Du solltest Radio hören. Das würde dich fröhlicher stimmen. Hör dir die Sendung von Ash an. Er ist richtig komisch, der Gute.«
Fias Nackenhaare sträubten sich. Richtig komisch. Aber so schwer es auch zu glauben war, offenbar entsprach das der Wahrheit. Am Vorabend hatte sie während der Arbeit in der Küche Ash im Schankraum lachen hören. Beim Servieren hatte sie ihn sogar mit eigenen Augen lachen sehen. Ash hatte Billard mit Johnny gespielt, Scherze gemacht und war ganz offensichtlich die Seele der Party gewesen. Doch als sie an ihm vorbeigegangen und ihn angelächelt hatte, da hatte er sie praktisch geschnitten, sich abgewendet, als würde sie gar nicht existieren. Das war nicht das erste Mal gewesen. Alle in Channings Hill hatten sie freundlich und mit offenen Armen empfangen, nur Ash Parry-Jones behandelte sie ausnahmslos immer wie einen unerwünschten Eindringling. Anfangs hatte sie gedacht, er sei einfach der stille, reservierte Typ, der gern für sich blieb. Im Laufe der letzten vierzehn Tage hatte sie
Weitere Kostenlose Bücher