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Being

Titel: Being Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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mit verschränkten Beinen auf dem Fußboden, hielt ihren Kopf in den Händen, wiegte sich vor und zurück und weinte sich die Seele aus dem Leib. Ihre Haare waren feucht. Sie trug einen Morgenmantel. Ihr Körper zitterte und zuckte und ich sah, wie ihr die Tränen übers Gesicht liefen.
    »Hey«, sagte ich leise und ging auf sie zu.
    Als sie meine Stimme hörte, schaute sie plötzlich auf und für einen Moment erstarrte ihr Gesicht vor Angst. Sie sah aus, als ob sie bei etwas Schrecklichem erwischt worden wäre.
    »Ist ja gut«, sagte ich und blieb stehen, »ich bin’s nur.« Ich lächelte sie an. »Wollte bloß nachschauen, ob mit dir alles in Ordnung ist …«
    »Ja, ja …«, murmelte sie, griff nach einem Taschentuch und wischte sich hastig das Gesicht ab. »Ja, alles in Ordnung.« Sie schniefte laut und wischte sich einen Rotzfaden von der Nase. »Scheiße«, sagte sie weiter schniefend. »
Verdammt
…«
    Ich reichte ihr ein Handtuch.
    Einen Moment lang vergrub sie darin ihr Gesicht und ich sah, wie sie ein paarmal tief Luft holte, dann wischte sie sich erneut durchs Gesicht. Nach einer Weile atmete sie schwer aus, schließlich warf sie das Handtuch auf den Boden und sah zu mir hoch.
    »Tut mir leid«, sagte sie. »Hab ich dich geweckt?«
    »Ich war schon wach. Ist alles in Ordnung mit dir?«
    »Ja …« Sie schüttelte den Kopf. »Scheiße.«
    Sie versuchte auf die Füße zu kommen und wirkte dabei ein bisschen wackelig, also streckte ich ihr die Hand entgegen und half ihr auf. Ihre Hand war eiskalt.
    »Danke«, sagte sie und rieb sich die Augen. Verlegen grinste sie |218| mich an, dann schaute sie in den Spiegel. »Gott, wie seh ich denn aus.« Sie drehte die Wasserhähne auf und wusch sich das Gesicht.
    »Ich warte vorn im Zimmer auf dich«, sagte ich zu ihr und wollte gehen.
    »Es war Morris«, sagte sie leise.
    Ich blieb stehen und drehte mich um.
    Sie sah mich an und trocknete ihr Gesicht mit einem frischen Handtuch. »Ich hab ihn plötzlich wieder vor mir gesehen … weißt du, sein Gesicht und alles. Ich hab es nicht mehr aus meinem Kopf gekriegt. Das ganze Blut … die Art, wie er dalag, total verrenkt … ich weiß nicht. Ich glaube, das hat mich einfach getroffen. Dass das wirklich alles wahr ist. Und dann hab ich bloß noch geweint wie ein Baby und ich konnte nicht mehr aufhören.« Sie seufzte wieder, mit einem großen, zittrigen Atemzug. »Gott … ich hab komplett die Kontrolle verloren.«
    Ich nickte ihr zu, unsicher, was ich sagen sollte.
    Sie lächelte mich an. »Ich wollte nicht, dass du mich so siehst.«
    Noch immer lächelnd streckte sie den Arm aus und legte mir kurz ihre Hand auf die Wange. Es hatte nichts zu bedeuten, das wusste ich. Es war nur eine nette Geste, eine freundliche Berührung, ein unausgesprochener Dank. Ich
wusste
es.
    Trotzdem zerriss es mich.
    »Du musst die Sachen wegtun«, sagte sie.
    »Was?«
    »Nicht jetzt … ich meine, wenn du geduscht hast.« Sie nickte zu dem Wäschebeutel auf dem Fußboden. Er war gefüllt mit blutbefleckter Kleidung. »Wir müssen alles, wo Morris’ Blut dran sein könnte, wegtun«, erklärte sie mir. »Wenn du also geduscht hast, steck sämtliche Sachen von dir hier zu meinen in den Beutel. Und |219| ich meine wirklich alle. Ich entsorge den Beutel noch, ehe wir aufbrechen.«
    »Das sind aber die einzigen, die ich habe«, sagte ich.
    »Ich finde schon was zum Anziehen für dich.« Sie drehte sich von mir weg, um das Handtuch aufzuhängen. »Es dauert keine Minute. Ich muss nur schnell meine Haare trocknen und mich anziehen.«
    Ich rührte mich nicht. Ich stand nur da wie ein Idiot und dachte an das Gefühl ihrer Hand auf meinem Gesicht.
    »Robert?«, fragte sie.
    »Ach so … klar. ’tschuldigung.«
    Ich ging rückwärts aus dem Badezimmer und ließ sie allein.

    Während Eddi im Schlafzimmer war, dort ihre Haare trocknete und sich anzog, duschte ich kurz und zog dann die Sachen an, die sie mir herausgelegt hatte. Dunkles Hemd, Unterhose, Socken, schlichter schwarzer Anzug. Ich fragte mich, wo sie die Sachen herhatte – von einem Freund, von Lawrence, von Curtis?
    Ich entschied mich, nicht nachzufragen.
    Als ich aus dem Bad kam, wartete Eddi schon in dem vorderen Zimmer auf mich. Sie hatte sich die Haare aus dem Gesicht gegelt, das meiste an Steckern und Ringen aus ihrem Gesicht entfernt und einen Rock mit kurzer schwarzer Jacke angezogen. Sie wirkte kühl und gepflegt, wie eine Geschäftsfrau. Ich reichte ihr den Wäschebeutel mit den

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