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Beinssen, Jan

Titel: Beinssen, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goldfrauen
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sie erfüllend, nie wirklich befriedigend. Es blieb bei der Andeutung von überwältigenden Emotionen. Es war nur ein Abglanz der vollkommenen Zufriedenheit.
    Allmählich verblassten die Eindrücke und wurden von einem warmen Nebel geschluckt. Die Bilder wurden durch neue verdrängt: Sina sah jetzt ihre eigene Wohnung. Sie war nicht allein, denn schattenhaften Gestalten bewegten sich um sie herum. Die Schatten stellten keine Bedrohung dar, sie bewegten sich langsam und behutsam.
    Einer der Schatten kam auf sie zu. Seine Hand streifte über ihren Arm. Die Hand war groß und warm. Wie bei einem Masseur. Sina durchströmte es wohlig.
    Doch die Hand war auch rau. Die Finger schlossen sich um ihr Gelenk. So fest, dass Sina nicht länger bereit war, sich hinzugeben. Sie wollte mehr erkennen, dem Schatten ein Gesicht entlocken. Sie konzentrierte sich darauf, die verschwommenen Konturen zu fokussieren. Doch es gelang ihr nicht. Dann sah sie ein Glitzern. Es war ganz nah. Es war eine Reflexion, ausgelöst von einem Röhrchen, einer Spitze – einer Nadel.
    Sina erschrak. Jetzt erkannte sie sie ganz deutlich: Eine Injektionsnadel schwebte wenige Milli
    meter über ihrem Arm. Das Gift! Sina erstarrte vor Angst. Reglos sah sie mit an, wie die Spritze ihr Ziel suchte – eine gut durchblutete Vene. Sie kreiste dicht über ihrer Haut. Dann stach sie zu. Sina spürte den Pieks. Kein großer Schmerz, aber ihr kam es so vor, als wäre die winzige Verletzung die Vorahnung ihres nahenden Todes.
    Ihre Gedanken verschwammen …
    … bis sie wieder neue, fremde Bilder sah: Sie trug noch immer ihr hauchdünnes Hemdchen, die roten Seidenstrümpfe – aber sie lag nicht mehr auf ihrem Sofa. Auch ihre Wohnung war verschwunden. Jemand hatte sie ausgetauscht gegen einen kalten, klammen Kellerraum. Sina fror erbärmlich.
    Sie sah sich um, konnte aber nichts erkennen. Die Wände des Raumes standen nicht still, sondern bewegten sich unentwegt und boten keinen Anhaltspunkt. Bald waren auch wieder die Schatten da. Ein großer und ein kleiner. Der Große war derjenige gewesen, der ihr die Spritze verpasst hatte. Sina konzentrierte sich auf ihn. Sie wartete, bis er näher kam. Er hatte einen bulligen Körper. Furcht einflößend, abschreckend. Sein Atem stank nach Zigarettenrauch, Alkohol und Zwiebeln. Sina hatte das Bestreben, sich abzuwenden, doch sie überwand diesen Impuls und sah genau hin: Aus dem Schattenriss formte sich ganz langsam ein Porträt.
    Erst war sie nicht sicher, doch dann identifizierte sie ihn: Es war der irische Bauer, der rothaarige Schläger! Sina erkannte ihn nun klar und deutlich.
    Es schüttelte sie vor Abscheu. Reichte es nicht, dass er ihr im wahren Leben Angst und Schrecken eingejagt hatte? Musste er ihr jetzt auch noch in ihre Träume folgen?
    Sina schrie ihn an. Sie wusste nicht, was sie für Beleidigungen ausspie, aber sie waren allesamt derb und verletzend. Der irische Bauer reagierte prompt und verpasste ihr eine Ohrfeige. Sina bemühte sich, den Schmerz zu unterdrücken, doch es gelang ihr nicht. Ihre Wange glühte wie in der realen Welt.
    Nun mischte sich der zweite, kleinere Schatten ein. Er kam näher, schob den Bauern beiseite und begann zu reden: »Sehen Sie uns das Eindringen in Ihre Privatsphäre nach – aber wir müssen Sie sprechen.« Die Stimme einer Frau. Keiner jungen Frau. Sie sprach mit einem osteuropäischen Akzent.
    »J… ja?«, antwortete Sina, während ihre Gedanken munter kreisten.
    »Sie und Ihre Freundin sind nicht besonders empfänglich für Mahnungen, Warnungen und Drohungen«, sagte die Frau, die klein, drahtig und zäh wirkte. Ihre Stimme kam Sina vage bekannt vor.
    »W… was war in der Spritze?« Sina fiel es schwer zu sprechen. Zunge und Lippen waren wie betäubt.
    Die kleine Frau kam näher. Sie hatte ein Gesicht voller Falten. Ihre Haare waren grau, die Augen aber flink und lebendig. »Es war nur ein Beruhigungsmittel, ein leichtes Narkotikum mit kleiner hypnotischer Nebenwirkung, das Sie für unsere Botschaft empfänglich macht.«
    »Wa… was wollen Sie … von m… mir?«, rang sich Sina ab.
    »Sie und Ihre Freundin schreiben unsere Warnungen permanent in den Wind«, sagte die alte Frau resolut. »Was sollen wir noch tun, um Sie zu schützen und vor Unheil zu bewahren?«
    »Was … was meinen Sie?« Sina konnte ihre Zunge kaum vom Gaumen lösen.
    Die Frau kam noch näher. »Ihnen ist wohl noch immer nicht klar, mit wem Sie es zu tun haben? Sie legen sich mit Mächten an, deren

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