Beinssen, Jan
Möglichkeiten Ihren Horizont weit überschreiten. Uns können Sie nicht aufhalten, geschweige denn entfliehen. Weder in Deutschland noch sonst wo auf der Welt.«
Sina schwirrte der Kopf. Doch sie sammelte all ihre Kräfte, um ihre Gesprächspartnerin besser erkennen zu können. Es gelang ihr, wenn auch nur für einen Moment, ein klares Bild zu bekommen. »Was wollen Sie von mir?«, rief Sina gegen ihre innere Lähmung an.
Die Frau sagte nichts mehr und begutachte Sina stattdessen wie ein Stück Vieh. Sina kam sich in ihrer dünnen Reizwäsche wehrlos und ausgeliefert vor. Mit abfälliger Geste wandte sich die Anführerin einem dunklen Plastikvorhang zu, der Sinas Liege vom Rest des Raumes abtrennte. Sie riss den Vorhang mit einem Ruck zurück.
Zu Sinas Bestürzung wurde ihr Blick auf eine weitere Liege frei. Darauf lag, mit dicken Fesseln fixiert, ihr Seminarleiter – der kleine Italiener!
Der Mann war geknebelt worden. Er konnte nichts sagen, doch er winselte wie ein Hund. Seine Augen standen vor Angst weit heraus. Sina sah voller Sorge und Ekel, dass seine Hose im Schritt dunkel verfärbt war. Ihr Lehrer hatte sich in die Hosen gemacht.
»Wir wollen Ihnen eine letzte, ich wiederhole, allerletzte Lektion erteilen«, sagte die kleine alte Frau streng. »Wir zeigen Ihnen, was mit Menschen passiert, die nicht in unserem Interesse handeln.« Damit legte sie eine flache silberne Schatulle frei und klappte sie auf. Zum Vorschein kam eine Sammlung klassischer chirurgischer Instrumente.
»Aber … er hat nichts getan«, säuselte Sina und kämpfte gegen das lähmende Gefühl der Ohnmacht an. »Er ist nur ein … ein Dozent.«
»Er war nicht wachsam genug«, sagte die Frau mitleidslos. »Er hat nicht in unserem Interesse gehandelt und ist unnötige Risiken eingegangen.« Sie nahm eine Art Kneifzange zur Hand. »Ich werde Ihnen demonstrieren, wie es denjenigen ergeht, die sich nicht an die Regeln halten.« Zu Sinas Entsetzen führte sie die Zange zu di Lorenzos Kopf. Sie gab dem Iren ein Zeichen, worauf dieser den Schopf des völlig verängstigten Lehrers griff und den Kopf nach hinten riss. Seine Peinigerin führte die Zange dicht vor seinen Augen entlang, die vor Anspannung aus den Höhlen zu treten drohten. Die Kneifzange glänzte silbern und lag der schmalen Frau schwer in der Hand. Dennoch bewegte sie das rohe Werkzeug mit geübter Geschicklichkeit.
Nach bangen Sekunden, in denen Sina fieberhaft über die nächsten Schritte der Frau nachdachte, legte diese die Zange endlich beiseite. Sina atmete auf, doch nur, um im nächsten Moment die Luft anzuhalten: Was sie sah, erfüllte sie mit neuem Grauen! Die alte Hexe – anders konnte Sina sie nicht mehr bezeichnen – zog sich in aller Seelenruhe ein Paar dunkelgrüner Gummihandschuhe über. Mit einem Lächeln, das an Boshaftigkeit und Heimtücke nicht zu überbieten war, griff sie erneut nach der Zange.
Der kleine Italiener stieß einen kehligen Laut aus. Verzweifelt versuchte er, sich von seinen Fesseln zu befreien. Aber der Ire hatte ihn unter Kontrolle. Wieder riss er ihn an den Haaren zurück. Mit der anderen Hand packte er das Kinn seines Opfers und öffnete ihm gewaltsam den Mund.
»Nein!«, schrie Sina. »Nein, bitte nicht!«
Die alte Hexe zeigte keinerlei Mitleid. Sie wiegte die Kneifzange in ihrer Rechten, näherte sie dann abermals dem Gesicht des Gefesselten. Der Lehrer schrie in heller Panik auf, als sie die Zange in seinen Mund einführte.
Sina wandte den Kopf ab. Doch nur für einen kurzen Augenblick. Dann musste sie wieder hinsehen – sie konnte nicht anders.
Blut spritzte in alle Richtungen. Der kleine Italiener quiekte wie ein Ferkel, als die Hexe die Zange aus seinem Mund zog. Sina war schockiert, als sie zwei weiße Stifte zwischen den Zangenbacken klemmen sah: die beiden herausgerissenen Schneidezähne, von
denen das Blut wie zäher Sirup tropfte. »Oh mein Gott!«, stieß sie mit versagender Stimme aus.
Der Ire ließ den Kopf des kleinen Italieners los, worauf dieser nach vorn kippte und mit dem Kinn auf dem Brustkorb liegen blieb. Der Mann wimmerte nur noch.
»Das war bloß der Anfang«, sagte die Hexe. Sie legte die Zange beiseite und zog sich die Gummihandschuhe aus. An Sina gerichtet erklärte sie mit einer so ruhigen Stimme, als wäre nichts geschehen: »Sie und Ihre Freundin haben bereits mehr Warnungen erhalten, als das in unserer Branche üblich ist. Sie können von Glück sprechen, dass sie noch am Leben sind. Aber jede
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