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Beiss mich - Roman

Beiss mich - Roman

Titel: Beiss mich - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Voeller
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man nun mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgeht, dass es sich in beiden Fällen um denselben Täter handelt.
    »Oh, Scheiße«, wimmerte ich.
    »Was ist?« Martin erschien lächelnd in der Verbindungstür zum Arbeitszimmer.
    Ich knipste mit der Fernbedienung den Fernseher aus und warf nachlässig die Zeitung mitsamt Übersetzung in den Kamin. Beides ging unverzüglich in Flammen auf.
    »Alles in Ordnung. Mir war nur gerade was eingefallen.«
    »Was denn?«
    »Ich habe was wahnsinnig Dringendes in meiner Wohnung vergessen.«
    Das war die reine Wahrheit, deshalb konnte er auch kein Unheil wittern.
    »Ich fahr rasch rüber und klär das.« Ich war schon auf dem Weg zur Haustür, einen Arm in der Jacke, den anderen nach meiner Handtasche ausgestreckt. »Lass dich nicht bei der Arbeit stören. Ich bin ruck, zuck wieder da, okay?«
    »Aber …«
    Zu spät. Ich war schon weg. Nur einen Moment später saß ich in meinem Wagen und war unterwegs.

23. Kapitel
    M eine Hände am Lenkrad flatterten, und erst als mich zum zweiten Mal ein entgegenkommender Autofahrer wütend anhupte, dachte ich daran, die Scheinwerfer einzuschalten.
    Mir war schlecht. Solveig lebte seit einer Woche unter einem Dach mit einer tickenden Zeitbombe! Nur eine dünne Wand trennte sie von dieser heimtückischen, hässlichen, Hornhaut hobelnden Hexe!
    Ich trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch und wiegte mich vor und zurück, als könnte ich dadurch das Tempo beschleunigen.
    Zwei Fußpfleger! Gleich zwei! Dieses blutrünstige alte Biest! Hätte ihr nicht einer reichen können?
    Es war allein meine Schuld. Ich hatte die beiden armen Kerle auf dem Gewissen! Genauso gut hätte ich ihnen selbst die Kehle aufreißen können! Durch mich war die Herberich zum wilden Tier geworden! Und das alles nur, weil ich so durstig gewesen war und mich im Aufzug nicht hatte beherrschen können!
    Ich rechnete kurz nach. Die Verwandlung musste bei ihr viel schneller vonstattengegangen sein als bei mir. Womöglich hatte es ja bei mir länger gedauert, weil ich jünger war oder eine schlimme Grippe in den Knochen gehabt hatte – wer konnte das letztlich schon mit Sicherheit sagen. Es hing wohl ganz davon ab, wie man diese Veränderung medizinisch klassifizierte, etwa als Infektion oder als Metamorphose.
    Doch darauf kam es jetzt auch nicht mehr an. Nur Solveig war momentan wichtig. Wenn ihr etwas geschehen war, würde ich … würde ich …
    Ja, was? Mich umbringen? Die Herberich umbringen?
    Die schon mal auf jeden Fall, überlegte ich grimmig.
    Was das spontane Ableben meiner eigenen Person betraf, würde mir vielleicht Martin die Arbeit abnehmen. Schließlich hatte er mir für das Sakrileg der Verwandlung den Tod angedroht.
    Und ich hatte die Herberich verwandelt. Aus Versehen, aber dennoch. Ich hatte ihr Blut genommen und sie meines. Das war der Akt, mit dem Vampire gezeugt wurden. Quid pro quo. Der Prozess war immer derselbe. Die Probanden konnten bald darauf kein Tageslicht mehr vertragen, ekelten sich vor normaler Nahrung und entwickelten schließlich nicht nur rapide wachsende Eckzähne, sondern auch einen abnormen Durst, der nur mit Blut gestillt werden konnte. Mit menschlichem Blut, wohlgemerkt.
    Als ich vor dem Miethaus ankam, schlug die Glocke einer entfernten Kirchturmuhr gerade Mitternacht. Der Wind peitschte unangenehm kalten Nieselregen in mein Gesicht, als ich ausstieg, und die wenigen kahlen Bäume in der Straße führten vor dem Hintergrund des nächtlichen Sturmhimmels einen gespenstischen Tanz auf.
    Ich schloss die Haustür auf, ging hinein und nahm Witterung auf, wobei ich feststellen konnte, dass Häuser anscheinend ebenso wie Menschen ihre spezifischen und unveränderlichen Gerüche besaßen.
    Schweiß und Schnaps im Erdgeschoss. Kohl und Öl im ersten Stock. Pampers und Milch im zweiten. Kalter Kaffee und angebranntes Fleisch im dritten, im vierten Haschisch. Und im fünften … Ich taumelte und musste mir die Nase zuhalten, sonst hätte ich mich erbrechen müssen – eine Erfahrung, die ich mir als besonders ekelhaft vorstellte, weil mein Magen ja bis auf Wasser und ein paar Tropfen Blut nichts mehr zu verdauen hatte.
    Ich roch Tod, Verwesung … und einen Vampir, der soeben getrunken hatte. Da war er, der typische, scharfe, nicht unangenehme Blutdunst, er hing in der Luft und überlagerte sogar all die anderen Gerüche. Als ich das letzte Mal hier gewesen war, um meine Habe abzuholen, war mir dieses Odeur nicht aufgefallen, also

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