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Beiss mich - Roman

Beiss mich - Roman

Titel: Beiss mich - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Voeller
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dümmlich.
    Sie nahm meinen Ellbogen und bugsierte mich zurück in die Wohnung, nicht ohne Frau Herberich erzürnt anzufunkeln. Dann bedachte sie mich mit einem Blick, der nicht minder ärgerlich war. »Du lieber Himmel, Luzie, was ist eigentlich heute Abend los mit dir? Du rennst im Nachthemd durch die Gegend, du benimmst dich in Gegenwart meines neuen Freundes wie die letzte Zicke … Mein Gott, du bist ja eiskalt! Und du hast keine Schuhe an!«
    »Was für ein Anruf?«, beharrte ich, während sie mich durch das Gedränge der Gäste hinüber zu meinem Zimmer lotste.
    »Na, einen geschäftlichen.«
    »Geschäftlich? Kurz vor Mitternacht, und das an Silvester?«
    »Es gibt Leute, die müssen auch an Silvester Geschäfte machen«, belehrte sie mich. Sie machte die Tür meines Zimmers hinter uns zu und drängte mich zum Bett. Während sie mir resolut mit einem Handtuch die nassen Haare trockenrubbelte, setzte sie mich knapp davon in Kenntnis, dass Martin ganz kurzfristig von einem Informanten die Nachricht erhalten hatte, dass ein enorm wichtiger Weinkenner am frühen Abend das Zeitliche gesegnet hatte. Die Weinsammlung, die er hinterlassen hatte, war legendär. In den speziell temperierten Gewölben des Verblichenen lagerten Regale um Regale voller unbezahlbarer Schätze.
    »Bei solchen Nachlässen kommt es auf absolute Schnelligkeit an«, meinte Solveig. Sie warf das Handtuch beiseite, zog sich den Mantel aus und legte ihn über meinen Schreibtischstuhl. »Das erste Gebot bekommt oft den ersten Zuschlag. Du kannst dir nicht vorstellen, was da abgeht. Da stehen die Aasgeier Schlange, sagt Martin.«
    »Aasgeier«, murmelte ich.
    »Na ja, bildlich gesprochen. In diesem Gewerbe gilt halt knallharte Ellbogenmentaliät.«
    »Ja, sicher.«
    »Da geht es um ungeheure Vermögen. Die Flasche, die er heute mitgebracht hat … Wo ist sie überhaupt?«
    »Unter meinem Bett.«
    Sie bückte sich und zog sie hervor. »Wo war ich? Ach ja. Diese Flasche hier zum Beispiel ist für Martin sozusagen noch eines von den kleineren Kalibern. Nichts Tolles, verstehst du.«
    »Ja.«
    »Mit Wein ist wahnsinnig viel Geld zu machen. Es gibt Abfüllungen, für die sich manch einer die Hand abhacken würde. Da sind hunderttausend für eine Charge noch gar nichts. Wenn auf diesem Sektor irgendwo was vakant wird, wie bei einem plötzlichen Erbfall, zählt jede Minute. Schnelligkeit ist das Wichtigste.«
    »Ja«, murmelte ich.
    »Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.«
    »Ja.«
    »Sag mal, kannst du auch noch was anderes sagen als immer nur Ja ?«
    »Ja. Ich meine, nein.«
    Sie legte ihre Hand auf meine Stirn. »Kann es sein, dass du Fieber hast?«
    »Keine Ahnung.« Ich ließ mich erschöpft auf mein Kopfkissen sinken. Die Erkenntnis, dass Solveig für den Moment außer Gefahr war, ließ mich vor Erleichterung zittern. Doch gleichzeitig fühlte ich mich jeglicher Kraft beraubt, unfähig, länger zu stehen, geschweige denn, mich mit ihr zu unterhalten. Doch eines musste ich noch wissen.
    »Du hast ihn bloß nach unten gebracht?«
    Sie nickte, und ihre Augen leuchteten schwärmerisch. »Wir wollten uns gerade verabschieden.«
    »Und dann?«
    Sie zuckte die Achseln. »Dann haben wir dich und die Herberich oben im Treppenhaus rumkreischen hören.«
    Gelobt sei Frau Herberich!
    »Sag mal«, fragte ich angespannt, »hat er dich irgendwie … belästigt?«
    Voller Panik wartete ich auf Anzeichen ihres beseligten Lächelns, dieses typische Verliebtenlächeln nach dem ersten Kuss, mit dem sich meine schlimmsten Befürchtungen bestätigt hätten. Doch sie lächelte nicht, sondern runzelte nur unwillig die Stirn. »Ich glaube, du hast wirklich Fieber. Du redest heute Abend von A bis Z nur Blödsinn.«
    Vor lauter Erleichterung hätte ich fast geweint.
    Mittlerweile hatte mich alle Kraft verlassen. Ich wollte nur noch schlafen. Fröstelnd rollte ich mich zusammen und zerrte die Decke über mich. »Ich glaube, ich bleibe im Bett.«
    »Wirklich?«
    »Wirklich. Ich bin fertig. Ihr müsst ohne mich weiterfeiern. Frohes neues Jahr schon mal im Voraus.«
    »Gleichfalls. Ruf mich, wenn du was brauchst, ja?«
    »Mach ich.«
    »Ich sag den anderen, sie sollen nicht so viel Lärm machen.« Sie beugte sich vor und küsste mich auf die Wange. »Schlaf schön.«
    Ich rang mir ein verunglücktes Grinsen ab und zog mir die Decke über den Kopf. Solveig gab mir einen liebevollen Klaps auf die Schulter, nahm ihren Mantel und ging hinaus.
    Ungeheure Müdigkeit übermannte mich. Doch

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