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Beiss mich - Roman

Beiss mich - Roman

Titel: Beiss mich - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Voeller
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müssen.
    Doch weit schlimmere Bauchschmerzen verursachte mir die Tatsache, dass ich überhaupt nicht wusste, wohin ich verschwinden sollte.
    Ich unterbrach meine Wanderung durch die Wohnung und blieb vor Solveigs Zimmertür stehen. Vorsichtig drückte ich die Klinke nieder. Die Tür war unverschlossen. Ich bewegte mich lautlos wie ein Schatten in das dunkle Zimmer, hielt vor ihrem Bett inne und lauschte ihrem Herzschlag. Das Geräusch wurde immer lauter, immer intensiver, bis es mein ganzes Dasein auszufüllen schien.
    Tok-tok, tok-tok, tok-tok.
    Plötzlich wurde mein Durst so übermächtig, dass ich erschrak. Brennende Hitze breitete sich, von meiner Brust herkommend, nach oben hin aus und setzte meine Kehle und meine Mundhöhle in Flammen. Ich musste … musste … wollte …
    Um mich herum verschwamm alles, und mein Verstand setzte zeitweilig aus. Ich kam wieder zu Bewusstsein, als ich den Mund schon fast an ihrer Kehle hatte. Ich kniete vor ihrem Bett, den Kopf dicht über ihren Hals gebeugt. Meine Zähne waren so lang und spitz, dass ich mir die Unterlippe damit aufritzte. Ich sah die Adern an Solveigs Hals in so klarer Schärfe vor mir, als seien sie von Neonlicht beleuchtet. Sie waren wie feine blaue Stricke unter ihrer Haut, so zart und lebendig …
    Ich presste meine Faust vor den Mund und spürte, wie die Zähne in ihre natürliche Form zurückwichen. Nur noch die scharfen Kanten der Brackets schnitten in meine Fingerknöchel. Hastig kämpfte ich mich wieder auf die Füße und stolperte von dem Bett weg. Dabei stieß ich mit der Hüfte gegen Solveigs Schreibtisch und streifte einen Ordner, der herunterfiel. Mit blitzartigem Griff fing ich ihn in der Luft auf und legte ihn zurück auf die Schreibtischplatte. Dann blieb ich stehen und holte Luft, bis ich spürte, wie ich allmählich meine Beherrschung zurückgewann.
    Dabei bemerkte ich die Bücher, die Solveig auf dem Schreibtisch aufgestapelt hatte, samt und sonders Literatur, die sich direkt oder indirekt mit dem Thema Vampirismus auseinandersetzte. Zwei oder drei der Werke waren Dissertationen, aber hauptsächlich handelte es sich um Romane. Ich verzog das Gesicht, als ich den Titel des oben liegenden Buchs las. Interview mit einem Vampir von Anne Rice.
    Klar, das lag auf der Hand. Ich selbst hatte es auch gelesen. Wahrscheinlich war es sogar meines.
    Dann natürlich Bram Stokers Dracula , Goethes Die Braut von Korinth , Sheridan Le Fanus Carmilla , Tolstois Die Familie der Wurdalaken .
    Es hätte mich nicht gewundert, wenn sie inzwischen auch alle Vampirfilme gesehen hatte, die auf dem Markt erhältlich waren. Schließlich saß sie als Dramaturgin einer Filmproduktionsfirma sozusagen direkt an der Quelle. Ein Anruf genügte, und DVD s aller Sparten wurden ihr frei Haus ins Büro geschickt, sei es Nosferatu oder Tanz der Vampire oder eine der anderen bekannten Adaptionen von Tod Browning, Terence Fisher, John Badham, Francis Ford Coppola, Neil Jordan.
    Als Film- und Kinofreak kannte ich sie selbst alle.
    Es war nur verständlich, dass Solveig sich informieren wollte. Schließlich lebte sie mit einem echten Vampir zusammen.
    Ich wollte das Zimmer bereits wieder auf leisen Sohlen verlassen, als der Ordner erneut meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Ein Blatt war zum Teil herausgerutscht; es schien eine Rechnung zu sein, denn auf der Ecke, die hervorstand, war das Wort Rechnungsendbetrag zu lesen, und daneben die Summe von rund fünfzehntausend Euro.
    Das war enorm viel Geld. Ich zog die lose Seite ganz aus dem Ordner. Es war tatsächlich eine Rechnung, ausgestellt von einer bekannten Frankfurter Detektei mit einem bundesweiten Netz von Filialen. Solveig hatte es sich in der Tat eine schöne Stange kosten lassen, Martin aufzustöbern. Die Rechnung erstreckte sich über drei Seiten und listete akribisch jede noch so marginale Ermittlungsmaßnahme auf. Anfragen bei Versicherungen und Behörden, Ausforschungsreisen von hier nach da, Lichtbilder, Porto, Mehrwertsteuer.
    Ich blätterte das ganze Dossier durch und fand Fotos sowie eine Liste mit diversen Adressen, kreuz und quer über die ganze Republik verstreut. Die Anschrift am Ende der Liste war anscheinend diejenige, die zurzeit aktuell war – die Information, für die letztlich das ganze Geld geflossen war. Demnach wohnte Martin in B., unmittelbar in der reizvollen Umgebung des Taunus, und zwar, wie es der Zufall wollte, ganz in der Nähe von Rainers Praxis, sozusagen direkt um die Ecke.
    Das zu der Anschrift

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