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Beiss nicht in die Sonne

Beiss nicht in die Sonne

Titel: Beiss nicht in die Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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Bri­ga­de, aber trotz­dem wird er­war­tet, daß man sich mit den auf­wach­sen­den Tie­ren ver­brü­dert, und es schi­en ei­ne wirk­lich gros­hing, in­ter­essan­te, wert­vol­le Ar­beit zu sein. Plötz­lich hat­te ich ei­ne va­ge Zu­kunfts­vi­si­on, in der ich mehr oder we­ni­ger stän­dig mit Lo­run ver­hei­ra­tet war, un­ser Kind war in der Hyp­no­schu­le, und ich ar­bei­te­te zu­sam­men mit sei­nem Er­zeu­ger auf der Farm und war die gan­ze Zeit um­gäng­lich und das al­les. Das be­weg­te mich so stark, daß ich mich zu ihm um­wand­te und sag­te:
    „Lo­run, ich hat­te noch ein über­ge­ord­ne­tes Mo­tiv da­für, nach Vier BOO zu kom­men. Ich woll­te je­man­den fin­den …“ Ich zö­ger­te, oh­ne zu wis­sen, warum, aber viel­leicht wuß­te ich es doch ir­gend­wie. Ich hat­te ein­fach das Ge­fühl, ich konn­te noch nicht über das Kind spre­chen.
    „Ja?“ frag­te er.
    „Nein“, mur­mel­te ich, „nach­her. Ich sa­ge es dir spä­ter.“
    Er sah et­was ver­är­gert aus, ließ es je­doch da­bei be­wen­den.
    Wir klet­ter­ten aus dem Flug­zeug und lie­fen durch Pa­go­den, Tür­me und Pa­läs­te, hiel­ten an Seen und rit­ten hin­auf zu Wol­ken­ber­gen, auf de­nen Vö­gel aus Feu­er und Duft dar­auf trai­niert wur­den, zu flie­gen und zu sin­gen. Nach kur­z­er Zeit be­gann ich, mich de­pri­miert zu füh­len. Ich ver­such­te, da­ge­gen an­zu­ge­hen, sprach mit lau­ter Stim­me und war vol­ler Fröh­lich­keit, aber es hat­te kei­nen Sinn. Ich glau­be, das Tier­chen war schuld dar­an. Es wur­de ganz still und be­gann zu zit­tern.
    „Ich glau­be, es hat Angst vor den Tie­ren hier“, sag­te ich zu Lo­run, um einen An­fang zu ma­chen. Ich mei­ne, sie stie­ßen al­le Flam­men und Düf­te und Was­ser­fon­tä­nen und der Him­mel weiß was noch aus, die Hälf­te war wäß­rig oder phos­pho­res­zier­te oder ver­schwand bei je­dem drit­ten Schritt, um beim vier­ten wie­der zu er­schei­nen. Ich be­griff all­mäh­lich, daß es nicht dies al­les war, was das Tier­chen be­küm­mer­te. Auch das Tier­chen war ein Tier, aber ein wirk­li­ches Tier, ein ge­bo­re­nes Tier, pri­mi­tiv emp­fan­gen und aus­ge­tra­gen, ge­schlüpft aus ei­nem Ei in der Wüs­te, auf dem ein war­mer, pel­zi­ger Kör­per ge­brü­tet hat­te. Die­se Tie­re hier wa­ren aus den glei­chen Mo­le­kü­len ge­macht, aus ähn­li­chen Grun­d­ele­men­ten und Zel­len, aber mit dem elek­trisch mo­ti­vier­ten Le­bens­fun­ken ei­nes Q-Rs und der­sel­ben Un­ter­wür­fig­keit ge­gen­über der Mensch­heit. Sie sind nur De­ko­ra­ti­on. Sie ha­ben hübsch und my­thisch zu sein. Auf ein­mal dach­te ich an mei­nen Oo­ma-Dra­chen im Ja­de­turm, und ein ra­sen­der Schmerz brei­te­te sich in mei­nem Her­zen aus. Wie oft hat­te ich in sei­nem harm­lo­sen Ra­chen ge­ses­sen, der voll Pi­ni­en­duft und grü­nem Feu­er war und ei­gent­lich im­stan­de sein soll­te, mich zu Mus zu zer­quet­schen. Ich hat­te ein star­kes Be­dürf­nis zu wei­nen, aber ich konn­te nicht, son­dern hielt das Tier­chen fest an mein Ge­sicht ge­drückt, so daß wir un­ser ge­mein­sa­mes, ver­bo­te­nes Elend tei­len konn­ten.
    Lo­run führ­te mich ele­gant und ge­fühl­los her­um, von Grün­flä­chen zu Ver­schla­gen, von Türm­chen zu Was­ser­we­gen. „Halt!“ woll­te ich ru­fen. „Ich hal­te es nicht mehr aus.“ Ich hät­te sie gern al­le frei­ge­las­sen in die Wüs­te, aber dann er­kann­te ich, mit noch in­ten­si­ver­em Schmerz, daß die wirk­li­chen Tie­re zu­erst voll Furcht vor ih­nen da­von­lau­fen, zum Schluß je­doch ih­re wehr­lo­sen Kör­per zer­flei­schen wür­den.
    Dann schlug Lo­run vor, wir soll­ten uns die Auf­zucht­tanks in ih­rem kris­tal­le­nen Däm­mer­licht an­se­hen, und ich dach­te an mein wirk­li­ches, halb­le­ben­des Kind, das auf sei­ne ei­ge­ne kris­tal­le­ne Däm­me­rung war­te­te, und keuch­te: „Bring mich zu­rück in die Stadt. Bit­te, bring mich zu­rück.“
    „Wie bit­te?“ Lo­run war so­fort ir­ri­tiert. Ich merk­te lang­sam, daß er im­mer ir­ri­tiert war, wenn ir­gend et­was nicht ganz nach sei­nen Plä­nen lief.
    „Es tut mir leid“, sag­te ich. „Ich füh­le mich to­s­ky. Ich kann nicht –

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