Beißen will gelernt sein (German Edition)
Miene. »Tu es okay?«
»Ja, mir geht es gut.« Ich stand auf, obwohl mir noch ein bisschen schwindelig davon war, wer weiß wohin verschleppt worden zu sein. »Äh … würde mir vielleicht mal jemand erklären, warum ihr alle hier seid? Ich erinnere mich nicht mehr so genau, aber der Dämon hat sich doch nur mich geschnappt, oder? Als Letztes habe ich gesehen, wie ihr in das Taxi einsteigen wolltet.«
»Moi, ich habe dich am Arm gepackt.« Sally klopfte mich vorsichtig ab, als suchte sie nach Knochenbrüchen oder sonstigen Verletzungen. »Très bien, dir fehlt nichts.«
»Danke für die Untersuchung, Dr. Sally!«
Sie warf beleidigt den Kopf in den Nacken. »C’est mon Aufgabe, schon vergessen?«
»Natürlich nicht, und ich bin dir auch sehr dankbar«, sagte ich rasch und umarmte sie. »Damit wäre geklärt, wie Sally hergekommen ist, und was ist mit dem Rest?«
Damian setzte eine Unschuldsmiene auf, die seinem Charakter völlig zuwiderlief. »Sally hatte mich an der Hand, als sie dich festgehalten hat. Und ich hatte die Tasche mit William.«
»Als ich sah, wie ihr von dem Dämon weggezerrt wurdet, haben wir uns schnell hintendrangehängt.« Tim strahlte mich zufrieden an. Es lag mir auf der Zunge zu sagen, dass er damit wahrscheinlich sein Todesurteil unterschrieben hatte, aber ich konnte eine so selbstlose, mutige Tat schlecht mit einer unheilvollen Prophezeiung bestrafen.
»Wo sind wir eigentlich?«, fragte ich und sah mich um. Wir befanden uns offenbar in einer Art Höhlennische, in die nicht viel Licht hereinfiel. Große Felsnasen versperrten die Sicht, aber hoch oben an der Wand hinter mir sah ich sonderbare Lichtmuster tanzen. Mir zog sich der Magen zusammen, als ich vorsichtig an den Nischeneingang trat, um an den Felsen vorbeizuspähen.
Feuer. Überall Feuer. Es waren nicht etwa kleine Lagerfeuerchen, in deren Nähe ich mich völlig normal zu verhalten gelernt hatte, sondern gewaltige Feuersäulen, die aus tiefen Gruben im Boden zu kommen schienen. Ein steinerner Weg führte an den hoch auflodernden Flammen vorbei zum anderen Ende der Höhle, wo sich auf einer erhöhten Fläche so etwas wie ein Büro befand: ein Schreibtisch, Stühle, Bücherregale und ein paar Aktenschränke.
»Allmächtiger, wir sind in der Unterwelt!«, rief ich und griff mir an den Hals, weil sich mir augenblicklich die Kehle zuschnürte.
»Nein, aber es ist verständlich, dass du diesen Eindruck hast«, sagte eine sanfte Stimme hinter mir.
Ich drehte mich ruckartig um. Der Anblick der Flammen und der Geruch des Rauchs drohten mich zu überwältigen. Verzweifelt versuchte ich, die Panik in Schach zu halten, die in mir aufstieg. »Wer bist du?«
»Ich bin Simon«, entgegnete der Dämon. Er war in menschlicher Gestalt erschienen: als junger Mann mit fliehendem Kinn und Spitzbart. Er wies auf den schmalen Weg, der durch die Höhle führte. »Ich bin der Butler von Asmodeus. Ich bin noch nie zuvor einer Tattu begegnet – es ist eine große Ehre, dich hier zu haben.«
»Was ist ›hier‹, wenn es nicht die Unterwelt ist?«, fragte ich.
»Das hier ist das Zuhause meines Herrn Asmodeus. Er zieht dieses Interieur dem gewöhnlicher Häuser vor, aber wir befinden uns innerhalb der Stadtgrenzen Londons.«
»Also ist das alles nur eine Illusion?«, fragte Tim und sah sich in der riesigen rauchgefüllten Höhle um.
Der Dämon zögerte einen Moment. »Könnte man sagen. Wir sind zwar in einem normalen Gebäude, aber es hat ein Design bekommen, das meinem Herrn mehr zusagt.«
»Damian, komm her«, sagte ich leise und streckte die Hand nach dem Jungen aus.
Damian verdrehte die Augen, nahm Williams Kopf und kam widerwillig an meine Seite. Ich legte einen Arm um seine Schultern und gab dem Dämon mit einem grimmigen Blick zu verstehen, dass ich das Kind um jeden Preis schützen würde.
»Weiß zufällig jemand, wie Dämonenfleisch schmeckt?«, fragte Williams Kopf in die Runde.
»Wie Ente, habe ich gehört«, sagte Simon, dann wies er wieder auf den Weg. »Wenn ich bitten darf? Asmodeus kann es kaum erwarten, dich kennenzulernen.«
Ich schaute zu den lodernden Höllenfeuern und schüttelte den Kopf. »Illusion hin oder her, ich bleibe, wo ich bin.«
Simon sah mich schräg an. »Du hast Angst vor dem Feuer, nicht wahr? Das ist nicht gut. Das ist gar nicht gut.«
»Wieso?«, fragte ich, ohne das Feuer, das uns am nächsten war, aus den Augen zu lassen. Seine Nähe bereitete mir Übelkeit und alles in mir schrie danach, diesen Ort
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