Bekehrung: Ein Eifel-Krimi (Eifelkrimis) (German Edition)
der Teufel hinter ihm her.«
Dabei war es nur ein alter Freund am Stock.
Dass er hier ist … Natürlich finde ich das merkwürdig. Aber ich mache meiner Verwunderung lieber mit einer harmlosen Frage Luft: »Wer geht schon zu Fuß bei Massen einkaufen?«
»Genau!«, ruft Hein. »Das heißt, dass er in der Gegend von Wemperhardt wohnen muss.«
»In Luxemburg?«
»Oder in Burg-Reuland, direkt an der Grenze.«
»Kein Wort zu Gudrun!«
Ich sehe schon, wie sie auf der Suche nach ihrem verlorenen Amerikaner im belgisch-luxemburgischen Grenzgebiet ein einsames Gehöft nach dem anderen abklappert. Wie sie in Burg-Reuland an jeder Tür der kleinen Neubaureihe mit dem grandiosen Fernblick klingelt, bei jedem Ferienhaus durch ungeputzte Fenster blickt und sogar in verlassenen Bruchsteinruinen nachsieht, ob sich David da eine wohnliche Ecke eingerichtet hat. Ich sehe, wie sie immer verzweifelter und abgehärmter wird, weil ihre große Liebe offenbar so nah und doch nicht aufzutreiben ist. Jeden Bauern, jede Witwe, jedes Kind wird sie befragen, bei den Landärzten im Grenzgebiet vorstellig werden, bei sämtlichen Maklern, Vermietern, Arbeitsstellenvermittlern und Frittenbudenbesitzern. Sie wird Marcel in den Wahnsinn treiben, mich mit dem Restaurant allein lassen und keine Ruhe geben, bis es David nicht mehr gelingt, sich verleugnen zu lassen. Und dann?
Alle diese Gedanken haben sich Hein und Jupp schon längst gemacht. Natürlich werden sie die Begegnung vor Gudrun geheim halten. Im Gegensatz zu mir haben sie nämlich zeit- und hautnah miterlebt, wie unsere Freundin zusammengebrochen ist. Sie werden alles vermeiden, was sie wieder durcheinanderbringen könnte. Wir wissen nicht, ob ihr Verhalten David wirklich zu seinem sang- und klanglosen Abschied bewogen hat, aber eine andere Begründung fällt uns nicht ein.
»Er ist auch unser Freund«, sagt Jupp. »Er hat auch uns verlassen. Eine Erklärung wäre nicht schlecht.«
»Genau«, sagt Hein, »man will schließlich wissen, woran man ist.« Er sieht mich vielsagend an.
»Das wissen wir ja jetzt«, sage ich, ohne die unterschwellige Herausforderung anzunehmen und endlich Gründe für meine eigene einstige Landflucht zu äußern. »David ist mit uns durch. Und das sollten wir akzeptieren.«
Das Thema können wir jetzt ohnehin nicht weiter vertiefen. Gudrun ist schneller zurückgekehrt, als wir erwartet haben. Biancas Vater, Robert Wiebach, hat sie in seinem Wagen mitgenommen, allerdings ohne Linus. Ich habe nichts dagegen, wenn Bianca den zum Schäferhund mutierten halben Kampfhund über Nacht dabehalten will. Schön, wenn sich das verspielte Tier mal nützlich machen kann.
»Also muss heute Freitag sein«, begrüße ich Robert aus Radevormwald und erwarte den unvermeidlichen Verkehrsbericht, mit dem er uns zum Auftakt seiner Besuche auf der Kehr so gern unterhält. Aber heute erfahre ich nicht, ob der Stau bereits lange vor der Leverkusener Rheinbrücke in Burscheid begonnen hat oder dass die Fahrbahn ausgerechnet am Freitag wieder einspurig an der ewigen Baustelle auf der A1 vorbeiführt. Nichts höre ich über Umleitungen oder Chaos am Kölner Ring, über Unfälle, die durch schleichende Holländer oder rasante Luxemburger verursacht wurden, keine Klage über den Schwertransporter, der direkt vor ihm von der A1 auf die B51 eingebogen ist, wo man dann kilometerlang nicht überholen kann, keine Häme über Porschefahrer, die der Starenkasten bei Schmidtheim geblitzt hat. Der Mittfünfziger hat eine ganz andere Sorge.
Er fürchtet, dass sich Gudrun die schönen Beine abfrieren werde. Ich empfehle ein warmes Fußbad, aber Robert behauptet, nichts gehe über ein gründliches Abrubbeln mit warmen Händen. Zum Beweis, wie sehr sich die seinen dafür eignen, legt er eine Hand an Gudruns knallrot gewordene Wange.
»Sicher ein probates Mittel.« Ich deute, ohne Hein und Jupp anzusehen, vage zum Flur. »Aber bitte nicht im Gastraum.«
Doch Gudrun ist noch nicht so weit, einen anderen Mann in die Kammer zu bitten, in der sie vor Jahren ihre erste Liebesnacht mit David verbracht hat. Roberts Aufmerksamkeit tut ihr aber sichtlich gut. Wer weiß: Wenn der Zahn der Zeit den Mann aus Texas endlich aus ihrem Herz herausgenagt hat, wird da vielleicht der Mann aus Radevormwald einziehen.
Das alte, viel gebrauchte braune Pappschild mit der krakeligen Aufschrift Wegen Trauerfalls geschlossen an der Tür schützt uns drinnen vor ungebetenen Gästen. Jupp sitzt am Telefon und wimmelt
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