Bekehrung: Ein Eifel-Krimi (Eifelkrimis) (German Edition)
verwickelt sein könnten, als sie uns glauben lassen wollen; nie hat er an die Ahnungslosigkeit von Christine Lambert und das Unbeteiligtsein von Claire Maraite geglaubt. In einer Hinsicht hatte er damit allerdings recht gehabt: Claire ist erst ziemlich spät damit herausgerückt, dass sie Barbara Gordon kennt, obwohl sie uns eine Menge über die Sekte erzählt und zudem gewusst hat, wer dahintersteckt. Ganz bestimmt hat sie die Frau auf dem Phantombild identifizieren können. Vielleicht hat sie aus Angst geschwiegen.
Vermutlich ist sie als Tochter des Deserteurs Volker Maraite in Barbara Gordons Visier geraten. Die Frau befürchtet Enthüllungen über ihre Sippe. Die uns Claire ja auch reichlich geliefert hat. Aber nicht nur Marcel hat Fehlschlüsse gezogen; auch ich muss mir jetzt wohl eingestehen, dass ich mich in Barbara Gordon geirrt habe.
Ich koche mir einen starken Kaffee, trinke aber nur eine halbe Tasse und fülle den Rest in eine heiß ausgespülte Thermosflasche ab. Natürlich mit dem Hintergedanken, Marcel damit zu erfreuen, falls ich ihn in seinem Auto auf der Lauer liegend auftreiben kann.
Als Wegzehrung packe ich die Schnitze von Davids Impossible Pie ein. Die hatte ich gestern mitgenommen, da außer mir niemand davon gegessen hat. Die Kreation schmeckt auch kalt erstaunlich gut.
Da ich nicht weiß, wie lange ich unterwegs sein werde, bringe ich Linus in die Einkehr rüber. Gudrun oder Bianca werden sich um ihn kümmern können. Und sollte der tierkundige Pastor Tillmanns angesichts des gerade wieder einsetzenden heftigen Schneefalls seinen Pilgerstab auch heute nicht aufnehmen, könnte er sich die Zeit damit vertreiben, meinem Hund ein paar Manieren beizubringen.
Schwarze Wolken treiben über den Eifeler Himmel. Sie entlassen wieder solche Mengen an Niederschlag, dass der belgische Winterdienst überfordert sein dürfte. Ich fahre also nicht über Krewinkel, sondern gondele auf der deutschen Bundesstraße einem Räumfahrzeug hinterher und lasse mich von dessen Rückleuchten und dem Warnlicht in Orange leiten. Leider biegt es am Grenzmarkt nicht nach Belgien ab, sondern zuckelt Richtung Schleiden geradeaus weiter.
Meine letzte Fahrt über diese Strecke hat vor einem Baum zwischen Hergersberg und Berterath ein abruptes Ende gefunden. Jetzt deutet dort nichts mehr auf den Anschlag hin; alle Spuren sind längst wieder zugeschneit. Es ist noch keine drei Tage her, dass ich Claire kennengelernt habe. Vor fünf Tagen um diese Zeit hat Jean-Marie Lambert noch gelebt.
Das ehemalige Pfarrhaus in Atzerath liegt im Düsteren. Es ist erst acht Uhr morgens, aber ich muss unbedingt so schnell wie möglich Licht in das Dunkel von Marcels Abwesenheit bringen. Also klingele ich Sturm.
Niemand öffnet. Ich kehre zu meinem Wagen zurück und rufe bei Christine Lambert an. Sie nimmt nicht ab. Über Handy kann ich sie auch nicht erreichen, weil sie kein mobiles Telefon braucht, wie sie Marcel bei unserem ersten Besuch mitgeteilt hat.
Das belgische Landvolk steht normalerweise sehr früh auf. Vielleicht ist Frau Lambert schon mit Claire zur Tagesklinik nach St. Vith gefahren?
Als das Licht meiner Autoscheinwerfer auf die Garage fällt, sehe ich eindeutige Reifenspuren im Schnee. Die beiden Frauen müssen gerade erst aufgebrochen sein.
Da ich keinen anderen Anhaltspunkt habe, fahre ich zum Krankenhaus in St. Vith.
Schon wieder Schwester Kati. Ich packe den Stier gleich bei den Hörnern: »Haben Sie Marcel gesehen?«
»Ach! Vermissen Sie ihn?«
»Ja.«
»Da sehen Sie mal, wie das ist.«
Ich packe sie hart am Arm.
»Die Polizei vermisst ihn auch. Verstehen Sie? Er ist verschwunden!«
In ihren Augen flackert einen kurzen Moment Unsicherheit. Dann besinnt sie sich wieder darauf, wer ich bin: die dicke alte Frau, die ihr Marcel weggenommen hat.
»So ist er eben.« Ihr Blick zeigt Herrschaftswissen. »Erst ist er da, und dann plötzlich wieder weg. Ohne sich zu verabschieden. Warum sollte es Ihnen besser gehen als mir?«
»Er ist vielleicht in Lebensgefahr!«
»Jetzt werden Sie mal nicht dramatisch. So was mag er gar nicht.«
Sie bürstet meinen Arm weg und stolziert erhobenen Hauptes davon.
»Bitte, können Sie mir dann sagen, wo Frau Maraite jetzt behandelt wird?«
»Warum sollte ich?«, entgegnet sie, bevor sie um die Ecke verschwindet.
Meine weiteren Nachforschungen im Krankenhaus laufen ins Leere. Weder Marcel noch Claire Maraite sind hier heute gesehen worden.
Könnte ja sein, dass die beiden Frauen
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